-- WEBONDISK OK --

BFH, Beschluss vom 13.03.2019 Az. I R 18/19

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV dahingehend auszulegen, dass eine unter diese Vorschrift fallende staatliche Beihilfe vorliegt, wenn nach den Regelungen eines Mitgliedstaats (Dauer–)Verluste einer Kapitalgesellschaft aus einer wirtschaftlichen Betätigung, die ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird, zwar im Grundsatz als vGA anzusehen sind und dementsprechend den Gewinn einer Kapitalgesellschaft nicht mindern dürfen, jedoch bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt, diese Rechtsfolgen für Dauerverlustgeschäfte nicht zu ziehen sind, wenn sie die betreffenden Geschäfte aus verkehrs–, umwelt–, sozial–, kultur–, bildungs– oder gesundheitspolitischen Gründen unterhalten?
Steuerbegünstigung für dauerdefizitäre Tätigkeiten von der öffentlichen Hand beherrschter Kapitalgesellschaften als staatliche Beihilfe
AEUV Art. 107 Abs. 1 , KStG i.d.F. des JStG 2009 § 34 Abs. 6 S. 4-5 , AEUV Art. 108 Abs. 3 , KStG i.d.F. des JStG 2009 § 8 Abs. 3 S. 2 , KStG i.d.F. des JStG 2009 § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 und S. 2 , KStG i.d.F. des JStG 2009 § 8 Abs. 9
FG Mecklenburg-Vorpommern 22.06.2016 3 K 199/13

Tenor

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Dem Gerichtshof der Europischen Union wird folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 107 Abs. 1 des Vertrags ber die Arbeitsweise der Europischen Union dahingehend auszulegen, dass eine unter diese Vorschrift fallende staatliche Beihilfe vorliegt, wenn nach den Regelungen eines Mitgliedstaats (Dauer–)Verluste einer Kapitalgesellschaft aus einer wirtschaftlichen Bettigung, die ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird, zwar im Grundsatz als verdeckte Gewinnausschttungen anzusehen sind und dementsprechend den Gewinn einer Kapitalgesellschaft nicht mindern drfen, jedoch bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des ffentlichen Rechts entfllt, diese Rechtsfolgen fr Dauerverlustgeschfte nicht zu ziehen sind, wenn sie die betreffenden Geschfte aus verkehrs–, umwelt–, sozial–, kultur–, bildungs– oder gesundheitspolitischen Grnden unterhalten?

Gründe

1
A. Sach– und Streitstand
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, versorgt die Bevölkerung, den Handel, das Gewerbe, die Industrie, die Landwirtschaft und öffentliche Einrichtungen mit Energieträgern, Trink– und Brauchwasser sowie Telekommunikation. Zudem betreibt und bewirtschaftet sie unter anderem auch Schwimmbäder. Die Anteile an der Klägerin werden zu 100 vom Hundert (v.H.) von der Stadt A gehalten. Es handelt sich bei der Klägerin damit um eine sogenannte (sog.) Eigengesellschaft einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft.
3
Im Jahr 1998 übernahm die Klägerin eine Schwimmhalle von der Stadt A. Nachdem sie die Bewirtschaftung der Schwimmhalle zunächst einem Tochterunternehmen (100 v.H.) übertragen hatte und dieses die Betriebsführungstätigkeit für die Schwimmhalle zu Beginn des Jahres 2002 eingestellt hatte, betrieb die Klägerin die Schwimmhalle in den Streitjahren (2002 und 2003) wieder selbst.
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Die mit dem Eigenbetrieb der Schwimmhalle erwirtschafteten Verluste beliefen sich —zwischen den Beteiligten unstreitig— in den Streitjahren auf ... € (2002) und ... € (2003).
5
Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass (auch) die Verluste aus dem Eigenbetrieb der Schwimmhalle als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) anzusehen seien. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) schloss sich den Feststellungen des Prüfers zwar grundsätzlich an, wertete die oben genannten Verluste jedoch nicht als vGA, sondern als nicht abziehbare Betriebsausgaben und erließ entsprechend geänderte Steuerbescheide unter dem 15.12.2011.
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Die hiergegen erhobenen Einsprüche blieben weitgehend erfolglos. Die Verluste aus dem Eigenbetrieb der Schwimmhalle wurden in der Einspruchsentscheidung vom 30.04.2013 in Höhe von ... € (2002) und ... € (2003) als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben berücksichtigt. Die daraufhin erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 22.06.2016 – 3 K 199/13 (juris) als unbegründet abgewiesen, wobei dieses davon ausgegangen ist, dass es sich bei den in den Streitjahren erwirtschafteten Verlusten um eine vGA zugunsten der Gesellschafterin der Klägerin, der Stadt A, handelt.
7
Hiergegen richtet sich die Revision der Klgerin, mit der sie eine Verletzung materiellen Rechts geltend macht.
8
Die Klgerin beantragt sinngem, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.04.2013 zu ndern, soweit Verluste aus dem Schwimmhallenbetrieb als nichtabziehbare Betriebsausgaben im Jahr 2002 in Hhe von ... sowie im Jahr 2003 in Hhe von ... bercksichtigt worden sind.
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Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
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B.
Der Senat legt dem Gerichtshof der Europischen Union (EuGH) die in der Entscheidungsformel bezeichnete Rechtsfrage zur Auslegung von Art. 107 Abs. 1 des Vertrags ber die Arbeitsweise der Europischen Union in der Fassung (i.d.F.) des Vertrags von Lissabon zur nderung des Vertrags ber die Europische Union und des Vertrags zur Grndung der Europischen Gemeinschaft —AEUV— (Amtsblatt der Europischen Union —ABlEU— 2008, Nr. C 115, 47) zur Vorabentscheidung vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
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I. Grundlagen fr die Beurteilung nach nationalem Recht
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1. Vorschriften des nationalen Rechts
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a) 8 Abs. 3 Satz 2 des Krperschaftsteuergesetzes (KStG)
"(3) (...) Auch verdeckte Gewinnausschttungen sowie Ausschttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserls der Kapitalgesellschaft verbunden ist, mindern das Einkommen nicht. (...)"
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b) § 8 Abs. 7 KStG (neu angefügt durch Art. 3 Nr. 4 Buchst. b des Jahressteuergesetzes 2009 —JStG 2009— vom 19.12.2008, Bundesgesetzblatt —BGBl— I 2008, 2794, Bundessteuerblatt —BStBl— I 2009, 74 mit Wirkung auch für Veranlagungszeiträume vor 2009 gemäß § 34 Abs. 6 Satz 4 und 5 KStG i.d.F. des JStG 2009)
"(7) Die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 sind
1. bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben;
2. bei Kapitalgesellschaften nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben. Satz 1 gilt nur bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt und nachweislich ausschließlich diese Gesellschafter die Verluste aus Dauerverlustgeschäften tragen.
Ein Dauerverlustgeschäft liegt vor, soweit aus verkehrs–, umwelt–, sozial–, kultur–, bildungs– oder gesundheitspolitischen Gründen eine wirtschaftliche Betätigung ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird oder in den Fällen von Satz 1 Nr. 2 das Geschäft Ausfluss einer Tätigkeit ist, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehört."
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c) § 8 Abs. 9 KStG (neu angefügt durch Art. 3 Nr. 4 Buchst. b JStG 2009 mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2009 gemäß § 34 Abs. 6 Satz 9 KStG i.d.F. des JStG 2009)
"(9) Wenn für Kapitalgesellschaften Absatz 7 Satz 1 Nr. 2 zur Anwendung kommt, sind die einzelnen Tätigkeiten der Gesellschaft nach folgender Maßgabe Sparten zuzuordnen:
1. Tätigkeiten, die als Dauerverlustgeschäfte Ausfluss einer Tätigkeit sind, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehören, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen;
2. Tätigkeiten, die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 zusammenfassbar sind oder aus den übrigen, nicht in Nummer 1 bezeichneten Dauerverlustgeschäften stammen, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen, wobei zusammenfassbare Tätigkeiten jeweils eine einheitliche Sparte bilden;
3. alle übrigen Tätigkeiten sind einer einheitlichen Sparte zuzuordnen.
Für jede sich hiernach ergebende Sparte ist der Gesamtbetrag der Einkünfte getrennt zu ermitteln. Die Aufnahme einer weiteren, nicht gleichartigen Tätigkeit führt zu einer neuen, gesonderten Sparte; Entsprechendes gilt für die Aufgabe einer solchen Tätigkeit. Ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte einer Sparte darf nicht mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte einer anderen Sparte ausgeglichen oder nach Maßgabe des § 10 d des Einkommensteuergesetzes abgezogen werden. Er mindert jedoch nach Maßgabe des § 10 d des Einkommensteuergesetzes die positiven Gesamtbeträge der Einkünfte, die sich in dem unmittelbar vorangegangenen und in den folgenden Veranlagungszeiträumen für dieselbe Sparte ergeben. Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 ab einem Zeitpunkt innerhalb eines Veranlagungszeitraums nicht mehr vor, sind die Sätze 1 bis 5 ab diesem Zeitpunkt nicht mehr anzuwenden; hiernach nicht ausgeglichene oder abgezogene negative Beträge sowie verbleibende Verlustvorträge aus den Sparten, in denen Dauerverlusttätigkeiten ausgeübt werden, entfallen. Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 erst ab einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb eines Veranlagungszeitraums vor, sind die Sätze 1 bis 5 ab diesem Zeitpunkt anzuwenden; ein bis zum Eintritt der Voraussetzungen entstandener Verlust kann nach Maßgabe des § 10 d des Einkommensteuergesetzes abgezogen werden; ein danach verbleibender Verlust ist der Sparte zuzuordnen, in denen keine Dauerverlustgeschäfte ausgeübt werden. (...)"
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d) § 4 Abs. 6 KStG (neu angefügt durch Art. 3 Nr. 2 JStG 2009 mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2009 gemäß § 34 Abs. 1 KStG i.d.F. des JStG 2009)
"(6) Ein Betrieb gewerblicher Art kann mit einem oder mehreren anderen Betrieben gewerblicher Art zusammengefasst werden, wenn
1. sie gleichartig sind,
2. zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht oder
3. Betriebe gewerblicher Art im Sinne des Absatzes 3 vorliegen.
Ein Betrieb gewerblicher Art kann nicht mit einem Hoheitsbetrieb zusammengefasst werden."
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e) § 34 Abs. 6 Satz 4 und 5 KStG i.d.F. des JStG 2009
"(6) (...) § 8 Abs. 7 in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794) ist auch für Veranlagungszeiträume vor 2009 anzuwenden. Ist im Einzelfall vor dem 18. Juni 2008 bei der Einkommensermittlung nach anderen Grundsätzen als nach § 8 Abs. 7 in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794) verfahren worden, so sind diese Grundsätze insoweit letztmals für den Veranlagungszeitraum 2011 maßgebend. "
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f) § 34 Abs. 6 Satz 9 KStG i.d.F. des JStG 2009
"(6) (...) § 8 Abs. 9 in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794) ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2009 anzuwenden."
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2. Allgemeine Systematik einer vGA im Körperschaftsteuerrecht
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a) Eine Körperschaft kann ihre Einkünfte offen nach gesellschaftsrechtlichen Vorschriften oder in verdeckter Form verteilen. Die verdeckte Einkünfteverteilung wird als vGA bezeichnet und führt dazu, dass die Körperschaft einen zu niedrigen Gewinn im Sinne (i.S.) des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Verbindung mit (i. V. m.) § 8 Abs. 1 KStG ausweist. Derartige verdeckte Ausschüttungen dürfen den Gewinn nicht mindern und sind gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG dem Einkommen der Körperschaft außerhalb der Bilanz (wieder) hinzuzurechnen. Das Rechtsinstitut der vGA dient dazu, eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste und damit nicht betriebliche Verringerung des Einkommens der Körperschaft zu verhindern. Dabei regelt § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nur die Rechtsfolgen, nicht aber die Voraussetzungen der vGA. Diese wurden durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entwickelt.
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b) Nach der Rechtsprechung des BFH ist unter einer vGA i.S. des 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermgensminderung (verhinderte Vermgensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhltnis veranlasst ist, sich auf die Hhe des Unterschiedsbetrages gem 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschttung steht. Fr den grten Teil der entschiedenen Flle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhltnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermgensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewhrt htte (stndige Rechtsprechung des vorlegenden Senats, vergleiche ––vgl.— Urteile vom 16.03.1967 – I 261/63, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs —BFHE— 89, 208, BStBl III 1967, 626; vom 03.05.2006 – I R 124/04, BFHE 214, 80, BStBl II 2011, 547; vom 08.10.2008 – I R 61/07, BFHE 223, 131, BStBl II 2011, 62; vom 22.12.2010 – I R 47/10, BFH/NV 2011, 1019). Zudem muss der Vorgang geeignet sein, einen sonstigen Bezug i.S. des 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulsen (vgl. zum Beispiel —z.B.— Senatsurteile vom 07.08.2002 – I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131, und vom 22.08.2007 – I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961).
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c) Nach der Senatsentscheidung vom 15.05.2002 – I R 92/00 (BFHE 199, 217, mit weiteren Nachweisen —m.w.N.— aus der Rechtsprechung des Senats) kann eine vGA auch vorliegen, wenn eine Kapitalgesellschaft ohne angemessenes Entgelt Geschfte ttigt, die im privaten Interesse ihrer Gesellschafter liegen und bei der Gesellschaft selbst zu Verlusten fhren. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen sind die von der Gesellschaft erzielten Verluste auerbilanziell um die angefallenen Verlustbetrge sowie einen angemessenen Gewinnaufschlag zu erhhen. Ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschftsleiter wrde nicht bereit sein, eine fortdauernde Kostenunterdeckung aus Dienstleistungen hinzunehmen, die an sich ihrem Gesellschafter obliegen.
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3. Formen der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand – Möglichkeiten der Zusammenfassung von Gewinn– und Verlustbetrieben
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a) Rechtslage vor dem Jahressteuergesetz 2009
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Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand erfolgt regelmäßig in zwei Organisationsformen. Zum einen kann eine juristische Person des öffentlichen Rechts über einzelne Betriebe gewerblicher Art (BgA) einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen. Dabei wird als Steuersubjekt zwar die juristische Person des öffentlichen Rechts angesehen, die Gewinnermittlung findet jedoch grundsätzlich getrennt für deren einzelne BgA statt, d.h. diese werden wie virtuelle Kapitalgesellschaften der Trägerkörperschaft behandelt. Zum anderen können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts für ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft bedienen. Diese Kapitalgesellschaften werden als sog. Eigengesellschaften bezeichnet. Inwiefern bei den BgA einerseits und bei den Eigengesellschaften andererseits die Zusammenfassung mehrerer Einzelbetriebe —insbesondere die Zusammenfassung von ertragreichen mit verlustträchtigen Betrieben— in einer steuerlichen Gewinnermittlungseinheit möglich ist, war vor Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2009 gesetzlich nicht geregelt, war aber vielfach Gegenstand von Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsanweisungen.
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aa) Bei den BgA findet die Gewinnermittlung und –besteuerung grundsätzlich getrennt für jeden einzelnen Betrieb statt. Der steuerpflichtige Gewinn eines BgA kann daher nicht mit Verlusten eines anderen BgA verrechnet werden, um die Steuerlast zu mindern. Rechtsprechung und Finanzverwaltung haben aber sog. "Zusammenfassungsgrundsätze" entwickelt und angewendet, denen zufolge ausnahmsweise eine organisatorische Zusammenfassung mehrerer gleichartiger Betriebe sowie mehrerer bestimmter Versorgungsbetriebe (Elektrizität, Wasser, Gas oder Wärme) sowie Versorgungs– und Verkehrsbetriebe zu einem einzigen BgA steuerlich anerkannt wurde, weil die in ihnen ausgeübte Betätigungen dem gleichen Gedanken, nämlich der Versorgung der Bevölkerung, untergeordnet seien (z.B. Senatsurteile vom 28.02.1956 – I 5/54 U, BFHE 62, 361, BStBl III 1956, 133; vom 08.02.1966 – I 212/63, BFHE 85, 213, BStBl III 1966, 287; vom 04.09.2002 – I R 42/01, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs —BFH/NV— 2003, 511; Abschn. 5 Abs. 9 der Körperschaftsteuer-Richtlinien —KStR— 1995; H 7 der Körperschaftsteuer-Hinweise —KStH— 2004). Lagen diese Voraussetzungen nicht vor, war die Zusammenfassung mehrerer BgA außerdem noch möglich, wenn zwischen den zusammengefassten Betrieben objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht bestand; ein notwendiger Funktionszusammenhang war nicht erforderlich (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 16.01.1967 – GrS 4/66, BFHE 88, 3, BStBl III 1967, 240; Abschn. 5 KStR 1995; H 7 KStH 2004).
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Diese "Zusammenfassungsgrundsätze" sind für die BgA durch das Jahressteuergesetz 2009 in § 4 Abs. 6 KStG gesetzlich verankert worden.
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bb) Bei Kapitalgesellschaften bilden sämtliche wirtschaftliche Aktivitäten, auch wenn sie in verschiedenen Betrieben ausgeübt werden, steuerrechtlich einen einzigen gewerblichen Betrieb. Die Frage, nach welchen Grundsätzen mehrere verschiedene erwerbswirtschaftliche Betätigungsfelder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts innerhalb einer Eigengesellschaft in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft gebündelt werden durften, wurde in der Zeit vor dem Jahressteuergesetz 2009 von Rechtsprechung und Finanzverwaltung nicht einheitlich beurteilt (siehe dazu Hofmeister in Raupach/Uelner [Herausgeber —Hrsg.—], Ertragsbesteuerung, Festschrift für Ludwig Schmidt, 1993, S. 691, 702 ff.; Märtens in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder [Hrsg.], Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, Festschrift für Dietmar Gosch, 2016, S. 279, 281 ff.).
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aaa) Die Finanzverwaltung vertrat im Laufe der Zeit unterschiedliche Ansätze. Nach Abschn. 5 Abs. 10 KStR 1977/KStR 1981 sollte eine vGA vorliegen, wenn die Eigengesellschaft Aufwendungen und Verluste übernimmt, die sonst die Trägerkörperschaft tragen müsste; keine Prüfung einer vGA sollte aber bei einer Zusammenfassung von technisch-wirtschaftlich verflochtenen Betrieben in einer Eigengesellschaft stattfinden. Nach Abschn. 5 Abs. 11 a KStR 1990/KStR 1995 sollte die Zusammenfassung von Gewinn– und Verlustbetrieben einer juristischen Person des öffentlichen Rechts in einer Kapitalgesellschaft einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 der Abgabenordnung darstellen, wenn ein Verlustausgleich nicht auch durch die Zusammenfassung der Betriebe zu einem einheitlichen BgA hätte erreicht werden können. Damit übertrug die Finanzverwaltung die für BgA entwickelten "Zusammenfassungsgrundsätze" auf die Eigengesellschaften und sah in danach unzulässigen Zusammenfassungen einen Rechtsmissbrauch. Auch nach R 7 Abs. 2 KStR 2004 sollten die "Zusammenfassungsgrundsätze" auf die Eigengesellschaft anwendbar sein. Eine danach unzulässige Zusammenfassung sollte aber kein Rechtsmissbrauch mehr sein; vielmehr verwies die Finanzverwaltung nunmehr wieder auf die Voraussetzungen einer vGA.
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bbb) Der BFH hat demgegenüber die Handlungsfreiheit der Körperschaften des öffentlichen Rechts betont, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in dem vom Gesetz vorgegebenen Rahmen auch in Form einer Zusammenfassung verschiedener Betriebe in der Rechtsform privatrechtlicher Kapitalgesellschaften zu entfalten. Er hat jedoch für die Fälle, in denen Eigengesellschaften Betriebe unterhielten, die dauerhaft defizitär wirtschaften (sog. Dauerverlustbetriebe) —wie bei allen Kapitalgesellschaften— nach den oben beschriebenen Grundsätzen eine Prüfung auf vGA vorgenommen und dies —anders als die Finanzverwaltung— unabhängig davon, ob auf der Basis der für BgA geltenden "Zusammenfassungsgrundsätze" eine Zusammenfassung des Dauerverlustbetriebs mit dem gewinnträchtigen Betrieb zulässig gewesen wäre oder nicht (Senatsurteile vom 14.07.2004 – I R 9/03, BFHE 207, 142, und in BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961). Ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, an dessen Verhalten sich prinzipiell auch die Eigengesellschaft einer Gemeinde messen lassen muss, würde nicht bereit sein, eine fortdauernde Kostenunterdeckung aus Dienstleistungen hinzunehmen, die an sich ihrem Gesellschafter, der Gemeinde, obliegen. Im Ausgangspunkt dieser Überlegungen steht dabei die Erkenntnis, dass Kapitalgesellschaften über keine außerbetriebliche Sphäre verfügen und dass deswegen verlustbringende Aktivitäten, die die Kapitalgesellschaft in gesellschaftsrechtlicher (Mit–)Veranlassung unternimmt, unter den Voraussetzungen einer ertragsteuerrechtlichen sog. Liebhaberei eine vGA der Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter auslösen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. z.B. Urteile vom 04.12.1996 – I R 54/95, BFHE 182, 123; in BFHE 199, 217; BFH-Urteil vom 28.11.1991 – IV R 122/90, BFHE 166, 257, BStBl II 1992, 342; Gosch, KStG, 3. Auflage —Aufl.—, § 8 Rz 955; Blümich/Rengers, § 8 KStG Rz 60 ff., 63 ff.; Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, 2004, S. 97 ff.).
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ccc) Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 07.12.2007 (BStBl I 2007, 905) die Nichtanwendung der Grundsätze der Senatsentscheidung in BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961 auf andere Fälle angeordnet. Bei der Einkommensermittlung von Eigengesellschaften der öffentlichen Hand sollte danach weiterhin nach den ab dem Veranlagungszeitraum 2004 geltenden Grundsätzen in R 7 Abs. 2 KStR 2004 das Vorliegen einer vGA nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sein, wenn Tätigkeiten zusammengefasst werden, die in einem BgA nicht hätten zusammengefasst werden können.
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b) Regelungen des Jahressteuergesetzes 2009
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Mit dem Jahressteuergesetz 2009 hat der Gesetzgeber erstmals gesetzliche Regelungen zum steuerlichen Querverbund mehrerer Betriebe und zur steuerlichen Behandlung von Dauerverlustbetrieben im Rahmen von BgA und Eigengesellschaften in der Trgerschaft von juristischen Personen des ffentlichen Rechts geschaffen. Erklrtes Ziel des Gesetzgebers war es, die bisherige Praxis der Finanzverwaltung gesetzlich "festzuschreiben" (Regierungsentwurf eines Jahressteuergesetzes 2009, Drucksachen des Deutschen Bundesrates —BRDrucks— 545/08, S. 107). Auf dem Gebiet der Eigengesellschaften ist durch die Regelung des 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG i.d.F. des JStG 2009 (KStG neuer Fassung —n.F.—) der bisherigen konsequenten Anwendung der vGA-Regeln auf die Unterhaltung von Dauerverlustbetrieben durch die BFH-Rechtsprechung (Senatsurteile in BFHE 207, 142, und in BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961) die Grundlage entzogen worden. Nach dieser Bestimmung sind die Rechtsfolgen einer vGA bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des ffentlichen Rechts entfllt und nachweislich ausschlielich diese Gesellschafter die Verluste aus Dauerverlustgeschften tragen, nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein solches Dauerverlustgeschft ausben. Ein Dauerverlustgeschft liegt gem 8 Abs. 7 Satz 2 KStG n.F. vor, soweit aus verkehrs-, umwelt–, sozial–, kultur–, bildungs– und gesundheitspolitischen Grnden eine wirtschaftliche Bettigung ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird oder in den Fllen von 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG n.F. das Geschft Ausfluss einer Ttigkeit ist, die bei juristischen Personen des ffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehrt. 34 Abs. 6 Satz 4 KStG n.F. bestimmt, dass die Neuregelung auch schon fr Veranlagungszeitrume vor 2009 anwendbar ist.
34
Flankierend wurde in 8 Abs. 9 KStG n.F. fr die Eigengesellschaften eine komplexe Spartenrechnung eingefhrt, die dafr sorgen soll, dass die privilegierten Verluste aus den Dauerverlustgeschften nicht mit Gewinnen aus solchen Geschftszweigen verrechnet werden, die mit den Dauerverlustgeschften als nicht "zusammenfassungsfhig" angesehen werden. Damit soll im Ergebnis bei den Eigengesellschaften eine den in 4 Abs. 6 KStG n.F. fr die BgA geregelten Zusammenfassungsgrundstzen entsprechende Ausgangslage geschaffen werden. Die Regelung des 8 Abs. 9 KStG n.F. zur Spartenrechnung sind allerdings —anders als die Bestimmungen des 8 Abs. 7 KStG n.F.— vom Gesetzgeber nicht mit einer Rckwirkung in die Vergangenheit versehen worden, sondern erst ab dem Veranlagungszeitraum 2009 anzuwenden ( 34 Abs. 6 Satz 9 KStG n.F.).
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II. Beurteilung des Streitfalls nach nationalem Recht
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a) Bei den von der Klgerin in den Streitjahren erwirtschafteten Verlusten handelt es sich in vollem Umfang um eine vGA an die Stadt A —als (alleiniger) Gesellschafterin—, welche das Einkommen der Klgerin erhhen. Die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhltnis folgt daraus, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschftsleiter nicht darauf verzichten wrde, von dem Gesellschafter einen entsprechenden Ausgleich der Verluste zu verlangen. Der ordentliche und gewissenhafte Geschftsleiter wre nicht bereit, Leistungen zu erbringen, die an sich dem Alleingesellschafter obliegen, und dafr auf Dauer Verluste hinzunehmen. Dabei ist der Senat in dem von ihm entschiedenen Fall in BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961 davon ausgegangen, dass die dortige Gemeinde freiwillige Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge (die Unterhaltung eines Bderbetriebes) auf ihre Eigengesellschaft bertragen hat und deren bernahme geeignet ist, einen Vorteil i.S. des 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG beim Gesellschafter auszulsen. Dies ist auf den streitgegenstndlichen Fall zu bertragen. Die Zuwendung eines durch das Gesellschaftsverhltnis veranlassten Vermgensvorteils wird insbesondere auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klgerin letztlich keine Individualinteressen ihres Anteilseigners —der Stadt A— sondern ein hiervon abzugrenzendes Allgemeininteresse verfolgt (vgl. hierzu Senatsurteil in BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961, unter II.3.b cc aaa).
37
b) Der außerbilanziellen Korrektur der vGA steht jedoch die durch das Jahressteuergesetz 2009 eingeführte Neuregelung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F. entgegen, wonach die Rechtsfolgen einer vGA bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt und nachweislich ausschließlich diese Gesellschafter die Verluste aus Dauerverlustgeschäften tragen, nicht bereits deshalb zu ziehen sind, weil sie ein solches Dauerverlustgeschäft ausüben. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F. sind im Streitfall erfüllt.
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aa) Bei der Klgerin handelt es sich um einen kommunalen Eigenbetrieb der Stadt A als alleiniger Anteilseignerin in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft.
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bb) Die Klgerin erlitt fortlaufend und auch in den Streitjahren Verluste aus dem Unterhalt der von ihr betriebenen Schwimmhalle. Es handelt sich um ein Dauerverlustgeschft im Sinne des Gesetzes. Denn der Betrieb der Schwimmhalle ist eine wirtschaftliche Bettigung, die aus gesundheitspolitischen Grnden ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wurde. Schwimmbder werden nach allgemeiner Meinung von den "gesundheitspolitischen Grnden" erfasst (Senatsurteil vom 09.11.2016 – I R 56/15, BFHE 256, 75, BStBl II 2017, 498; BMF-Schreiben vom 12.11.2009, BStBl I 2009, 1303, Rz 46; Meier/Semelka in Herrmann/Heuer/Raupach, 8 KStG Rz 565; Gosch, am angegebenen Ort —a.a.O.—, 8 Rz 1043 j; Kohlhepp in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., 8 Rz 874).
40
cc) Nach 34 Abs. 6 Satz 4 KStG n.F. ist 8 Abs. 7 KStG n.F. fr Veranlagungszeitrume vor 2009 anwendbar und damit auch fr die Streitjahre. Soweit das FG in dem angefochtenen Urteil zu dem Ergebnis gekommen ist, die gesetzlich angeordnete Rckwirkung des 8 Abs. 7 KStG n.F. sei dahingehend einzuschrnken, dass sie nicht jene Flle umfasst, in denen auf der Grundlage der vor Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2009 bestehenden Auffassung der Finanzverwaltung (R 7 Abs. 2 KStR 2004; BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 905) eine vGA zu bejahen gewesen wre, ergibt sich dafr aus dem Gesetzeswortlaut keinerlei Anhalt.
41
Auch die Bestimmung des 34 Abs. 6 Satz 5 KStG n.F. gibt fr die Sichtweise des FG nichts her. Danach sollen dann, wenn im Einzelfall vor dem 18.06.2008 (Tag des Kabinettsbeschlusses ber das Jahressteuergesetz 2009) nach anderen Grundstzen als nach 8 Abs. 7 KStG n.F. verfahren worden sei, diese Grundstze letztmals fr den Veranlagungszeitraum 2011 magebend sein. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Vertrauensschutzregelung zugunsten derjenigen Eigengesellschaften, bei denen die Finanzverwaltung vor dem Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2009 Dauerverluste nach Grundstzen anerkannt hat, die nicht den Anforderungen des 8 Abs. 7 KStG n.F. gengen wrden. Eine zu Lasten der Eigengesellschaften wirkende Einschrnkung der in 34 Abs. 6 Satz 4 KStG n.F. angeordneten Rckwirkung lsst sich daraus nicht ableiten.
42
c) Bei Anwendung von § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F. können die Verluste aus dem Betrieb der Schwimmhalle mit den Ergebnissen der anderen Betriebszweige der Klägerin (Energie– und Wasserversorgung et cetera —etc.—) verrechnet werden.
43
aa) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des vorlegenden Senats, dass eine Körperschaft öffentlichen Rechts es in der Hand hat, die organisatorischen Maßnahmen bei der Konzeption nicht nur ihrer Hoheitsbetriebe, sondern auch ihrer BgA i.S. von § 4 KStG im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften so zu treffen, wie sie es für zweckmäßig hält. Davon ausgehend ist auch die Zusammenfassung verschiedener BgA einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in der Organisationsform privatrechtlicher Kapitalgesellschaften (sog. Eigengesellschaften) grundsätzlich als zulässige Handlungsform anzusehen (vgl. Senatsurteil in BFHE 207, 142, m.w.N. aus der Rechtsprechung; vgl. auch Hofmeister in Raupach/Uelner, [Hrsg.], a.a.O., S. 691, 702).
44
bb) Dem steht —die ebenfalls mit dem Jahressteuergesetz 2009 neu geschaffene— Regelung zur sog. Spartenrechnung in § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 KStG n.F. nicht entgegen. § 34 Abs. 6 Satz 9 KStG n.F. ordnet die erstmalige Anwendung der Regelung für den Veranlagungszeitraum 2009 an. Der Anwendungsbefehl für die Regelung des § 8 Abs. 9 KStG n.F. weicht damit von dem für die Regelung des § 8 Abs. 7 KStG n.F. in § 34 Abs. 6 Satz 4 KStG n.F. ab. Anders als bei § 8 Abs. 7 KStG n.F. hat der Gesetzgeber keine rückwirkende Anwendung der Spartenrechnung des § 8 Abs. 9 KStG n.F. vorgesehen. Selbst wenn man zu dem Ergebnis käme, dass diesbezüglich eine Regelungslücke vorläge, könnte diese nicht über eine Analogie zu Lasten des Steuerpflichtigen geschlossen werden. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz ausreichende tatsächliche wirtschaftliche und technische Verflechtungen zwischen den Versorgungsbetrieben und der Schwimmhalle nicht gegeben waren und bereits deshalb eine Anwendung von § 8 Abs. 9 KStG n.F. ausscheidet.
45
Im Ergebnis bleibt es damit bei der Möglichkeit für die Klägerin, die Verluste aus dem Betrieb der Schwimmhalle mit den anderen Sparten der Klägerin (Energie– und Wasserversorgung etc.) zu verrechnen und ihre Gewinne und damit ihre Körperschaftsteuerbelastung in den Streitjahren entsprechend zu verringern.
46
III. Beurteilung nach Unionsrecht
47
Zu klren ist, ob die Steuerbegnstigung nach 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F. eine unter Art. 107 Abs. 1 AEUV fallende staatliche Beihilfe ist und damit dem Durchfhrungsverbot nach Art. 108 Abs. 3 AEUV unterliegt, weil sie ohne Beachtung des in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Vorprfungsverfahrens eingefhrt wurde.
48
1. Im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten obliegt die Prfung, ob eine Steuerbegnstigung als staatliche Beihilfe i.S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen ist, den nationalen Gerichten (vgl. EuGH-Urteile Lucchini vom 18.07.2007 – C–119/05, EU:C:2007:434, Rz 50, und Ministerio de Defensa und Navantia vom 09.10.2014 – C–522/13, EU:C:2014:2262, Rz 55). Aufgrund dieser Prfung kann entschieden werden, ob eine Steuerbegnstigung —wie 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F.—, die ohne Beachtung des in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Vorprfungsverfahrens eingefhrt wurde, diesem Verfahren htte unterworfen werden mssen (EuGH-Urteil Lucchini, EU:C:2007:434, Rz 50), und welche Folgerungen aus einem mglichen Versto zu ziehen sind. Die nationalen Gerichte knnen jedoch nicht darber befinden, ob eine staatliche Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist (vgl. EuGH-Urteil Lucchini, EU:C:2007:434, Rz 51). Fr die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfemanahmen oder einer Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt ist nach der Rechtsprechung des EuGH die Europische Kommission zustndig, die dabei der Kontrolle des Gemeinschaftsrichters unterliegt (vgl. EuGH-Urteil Lucchini, EU:C:2007:434, Rz 52, m.w.N. aus der Rechtsprechung des EuGH).
49
2. Gem Art. 107 Abs. 1 AEUV sind, soweit in den Vertrgen nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewhrte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begnstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verflschen oder zu verflschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeintrchtigen. Die Vorschrift verbietet grundstzlich selektive Beihilfen fr bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige (EuGH-Urteile P vom 18.07.2013 – C–6/12, EU:C:2013:525, Rz 17, und Ministerio de Defensa und Navantia, EU:C:2014:2262, Rz 32).
50
3. Nach stndiger Rechtsprechung des EuGH verlangt die Einstufung einer nationalen Manahme als "staatliche Beihilfe" i.S. von Art. 107 Abs. 1 AEUV, dass die nachfolgenden Voraussetzungen erfllt sind (vgl. EuGH-Urteil A-Brauerei vom 19.12.2018 – C–374/17, EU:C:2018:1024, Rz 19). Erstens muss es sich um eine staatliche Manahme oder eine Manahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss die Manahme geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeintrchtigen. Drittens muss dem Begnstigten durch sie ein selektiver Vorteil gewhrt werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verflschen oder zu verflschen drohen (EuGH-Urteil Kommission/World Duty Free Group u.a. vom 21.12.2016 – C–20/15 P und C–21/15 P, EU:C:2016:981, Rz 53 sowie die dort angefhrte Rechtsprechung). Soweit 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F. im Streitfall anordnet, dass die Rechtsfolgen einer vGA nicht zu ziehen sind, handelt es sich nach Auffassung des vorlegenden Senats um eine Beihilfe i.S. von Art. 107 Abs. 1 AEUV.
51
a) Als staatliche Beihilfen gelten Manahmen gleich welcher Art, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begnstigen oder die als ein wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begnstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten htte (EuGH-Urteil Ministerio de Defensa und Navantia, EU:C:2014:2262, Rz 21).
52
Die Steuerbegnstigung nach 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F. ist ein solcher Vorteil. Die Begnstigten werden dadurch finanziell besser gestellt als die brigen Steuerpflichtigen, die ebenfalls einen gewinnerhhenden Ansatz einer vGA nach 8 Abs. 3 Satz 2 KStG verwirklichen und nicht die Voraussetzungen der Steuerbegnstigung erfllen.
53
aa) Nach stndiger Rechtsprechung des EuGH umfasst der Begriff des (begnstigten) Unternehmens i.S. von Art. 107 Abs. 1 AEUV jede eine wirtschaftliche Ttigkeit ausbende Einheit, unabhngig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (vgl. z.B. EuGH-Urteil Cassa di Risparmio di Firenze u.a. vom 10.01.2006 – C–222/04, EU:C:2006:8, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Der vorlegende Senat hat keine Zweifel, dass die Klgerin als Eigengesellschaft der Stadt A diesen sog. funktionalen Unternehmensbegriff (vgl. hierzu von Wallenberg/Schtte in Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Das Recht der Europischen Union, Art. 107 AEUV, Rz 39) erfllt. Insbesondere hat der EuGH bereits entschieden, dass selbst der Umstand, dass eine Einheit mit bestimmten im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben betraut ist, die Einstufung als Unternehmen i.S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht auszuschlieen vermag (vgl. EuGH-Urteil Ambulanz Glckner vom 25.10.2001 – C–475/99, EU:C:2001:577).
54
bb) Es muss sich weiter um eine staatliche Manahme oder eine Manahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln, durch die dem Begnstigten ein Vorteil gewhrt wird. Nach stndiger Rechtsprechung des EuGH umfasst der Begriff der Beihilfe dabei nicht nur positive Leistungen, sondern auch Manahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen regelmig zu tragen hat, und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (vgl. z.B. EuGH-Urteil Heiser vom 03.03.2005 – C–172/03, EU:C:2005:130). Dies ist vorliegend der Fall, indem die Klgerin durch 8 Abs. 7 i. V. m. 34 Abs. 6 Satz 4 KStG n.F. rckwirkend von einem gewinnerhhenden Ansatz der laufenden Betriebsverluste mittels vGA ausgenommen worden ist.
55
cc) Die staatliche Maßnahme in Form des Nichtansatzes einer vGA ist im Streitfall nicht als Ausgleich dafür anzusehen, dass die Klägerin durch den Betrieb der Schwimmhalle möglicherweise (auch) gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen erbringt. Nach der Rechtsprechung des EuGH fallen öffentliche Zuschüsse, die ausdrücklich mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen betrauten Unternehmen gewährt werden, um die bei der Erfüllung dieser Verpflichtungen entstehenden Kosten auszugleichen, nicht unter Art. 107 Abs. 1 AEUV (vgl. EuGH-Urteil Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg vom 24.07.2003 – C–280/00, EU:C:2003:415). Ein derartiger Ausgleich ist im konkreten Fall jedoch nur dann nicht als staatliche Beihilfe zu qualifizieren, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. hierzu statt vieler von Wallenberg/Schütte in Grabitz/ Hilf/Nettesheim, a.a.O., Art. 107 AEUV, Rz 59). Erstens muss das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein und diese Verpflichtungen müssen klar definiert sein. Zweitens sind die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufzustellen, um zu verhindern, dass der Ausgleich einen wirtschaftlichen Vorteil mit sich bringt, der das Unternehmen, dem er gewährt wird, gegenüber konkurrierenden Unternehmen begünstigt. Drittens darf der Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken. Wenn viertens die Wahl des Unternehmens, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden soll, im konkreten Fall nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt, das die Auswahl desjenigen Bewerbers ermöglicht, der diese Dienste zu den geringsten Kosten für die Allgemeinheit erbringen kann, so ist die Höhe des erforderlichen Ausgleichs auf der Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit Transportmitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen zu tragen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.
56
Diesen Anforderungen wird § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG n.F. nicht gerecht. Die Vorschrift benennt insoweit lediglich pauschal einige allgemeinpolitische Gründe für eine Begünstigung eines Dauerverlustgeschäfts (vgl. hierzu auch Weitemeyer, Finanz-Rundschau —FR— 2009, 1). Eine klare Definition der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen ist nicht erkennbar, ebenso wenig wie die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, um zu verhindern, dass dieser einen wirtschaftlichen Vorteil mit sich bringt, der das Unternehmen, dem er gewährt wird, gegenüber konkurrierenden Unternehmen begünstigt.
57
dd) Entsprechendes gilt für die Bereichsausnahme nach Art. 106 Abs. 2 AEUV. Nach Art. 106 Abs. 2 AEUV kann ein vom Staat als Gegenleistung für die Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem Interesse gewährter Ausgleich unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Binnenmarkt vereinbar sein. Trotz der Unterschiede im rechtlichen Ansatz zwischen einer Nicht-Beihilfe nach der sog. Altmark-Entscheidung des EuGH (siehe oben) und der Vereinbarkeit von Beihilfen nach Art. 106 Abs. 2 AEUV ist mittlerweile von einer weitgehend identischen rechtlichen Prüfung der Voraussetzungen einer zulässigen Ausgleichszahlung auszugehen (vgl. Urteil des Gerichts der Europäischen Union BUPA u.a./ Kommission vom 12.02.2008 – T–289/03, EU:T:2008:29).
58
b) Art. 107 Abs. 1 AEUV verbietet Beihilfen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeintrchtigen. Nach der Rechtsprechung des EuGH bedarf es in diesem Zusammenhang nicht des Nachweises einer tatschlichen Auswirkung der Beihilfe auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten, sondern nur der Prfung, ob die Beihilfe geeignet ist, diesen Handel zu beeintrchtigen (vgl. EuGH-Urteil Cassa di Risparmio di Firenze u.a., EU:C:2006:8, Rz 140, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Der innergemeinschaftliche Handel wird insbesondere dann von einer von einem Mitgliedstaat gewhrten Beihilfe beeinflusst, wenn sie die Stellung eines Unternehmens gegenber anderen Wettbewerbern in diesem Handel strkt (vgl. EuGH-Urteil Cassa di Risparmio di Firenze u.a., EU:C:2006:8, Rz 141, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Im brigen braucht das begnstigte Unternehmen nicht selbst am innergemeinschaftlichen Handel teilzunehmen. Wenn nmlich ein Mitgliedstaat einem Unternehmen eine Beihilfe gewhrt, kann die inlndische Ttigkeit dadurch beibehalten oder verstrkt werden, so dass sich die Chancen der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Unternehmen, den Markt dieses Mitgliedstaats zu durchdringen, verringern. Zudem kann die Strkung eines Unternehmens, das bis dahin nicht am innergemeinschaftlichen Handel teilgenommen hat, dieses in die Lage versetzen, den Markt eines anderen Mitgliedstaats zu durchdringen (vgl. EuGH-Urteil Cassa di Risparmio di Firenze u.a., EU:C:2006:8, Rz 143, m.w.N. aus der Rechtsprechung).
59
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfllt. Das Absehen von einem gewinnerhhenden Ansatz der laufenden Betriebsverluste als vGA strkt die kommunalen Eigengesellschaften in finanzieller Hinsicht. Potentiellen Mitbewerbern aus anderen Mitgliedstaaten wird dadurch die Mglichkeit, in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) eine Schwimmhalle hnlicher Art wie sie die Klgerin betreibt, zu erffnen, deutlich erschwert (ebenso Weitemeyer, FR 2009, 1; anderer Ansicht —a.A.— wohl Gosch, a.a.O., 8 Rz 1043 a). Vor allem aber ist in diesem Zusammenhang zu bercksichtigen, dass durch das Absehen vom gewinnerhhenden Ansatz einer vGA die Mglichkeit geschaffen wird, die laufenden Verluste bei der Einkommensermittlung der Gesellschaft mit den Gewinnen aus weiteren Ttigkeitsbereichen (z.B. Energie– und Wasserversorgung etc.) zu verrechnen. Diese Ttigkeitsbereiche werden jedenfalls durch die Mglichkeit einer Verlustverrechnung finanziell gestrkt. Eine potentielle Wettbewerbssituation mit berregionalen privaten Anbietern aus diesen Ttigkeitsbereichen ist naheliegend. Von daher wre es unbeachtlich, wenn es sich bei dem Betrieb der Schwimmhalle mglicherweise im Streitfall um eine rein lokale Wirtschaftsttigkeit handeln wrde.
60
c) Die Steuerbegnstigung nach 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F. ist mit einem selektiven Vorteil verbunden.
61
aa) Die Beurteilung der Selektivitt verlangt die Feststellung, ob eine nationale Manahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, "bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige" gegenber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begnstigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatschlichen und rechtlichen Situation befinden und somit eine unterschiedliche Behandlung erfahren, die im Wesentlichen als diskriminierend eingestuft werden kann (EuGH-Urteile Kommission/World Duty Free Group u.a., EU:C:2016:981, Rz 54, und Kommission/Aer Lingus vom 21.12.2016 – C–164/15 P und C–165/15 P, EU:C:2016:990, Rz 51).
62
bb) Fr die Einstufung einer nationalen steuerlichen Manahme als "selektiv" muss in einem ersten Schritt die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine oder "normale" Steuerregelung ermittelt werden. In einem zweiten Schritt muss dargetan werden, dass die in Rede stehende steuerliche Manahme vom allgemeinen System insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einfhrt, die sich im Hinblick auf das mit dieser allgemeinen Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatschlichen und rechtlichen Situation befinden (EuGH-Urteil Kommission/World Duty Free Group u.a., EU:C:2016:981, Rz 57).
63
cc) Im Streitfall weicht 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F. im Fall von Eigengesellschaften einer juristischen Person des ffentlichen Rechts von den allgemeinen Regeln eines gewinnerhhenden Ansatzes einer vGA nach 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ab, wenn diese aufgrund allgemeinpolitischer Erwgungen eine Ttigkeit weiterhin ausben, obwohl sie aus dieser Ttigkeit Dauerverluste erzielen. Die Neuregelung des 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F. gewhrt Eigengesellschaften einer juristischen Person des ffentlichen Rechts damit die Mglichkeit, von einem gewinnerhhenden Ansatz der laufenden Betriebsverluste als vGA abzusehen. Im Ergebnis wird damit fr diese Unternehmen erst die Mglichkeit geschaffen, die laufenden Verluste bei der Einkommensermittlung der Gesellschaft mit Gewinnen aus weiteren Ttigkeitsbereichen zu verrechnen. Im Hinblick auf das mit der allgemeinen Regelung einer vGA in 8 Abs. 3 Satz 2 KStG verfolgte Ziel, wonach durch das Gesellschaftsverhltnis verursachte Vermgensminderungen die steuerliche Bemessungsgrundlage nicht vermindern drfen, befinden sich alle Kapitalgesellschaften als Wirtschaftsteilnehmer in einer vergleichbaren tatschlichen und rechtlichen Situation. Es handelt sich somit um einen Fall sektorspezifischer Selektivitt zugunsten bestimmter Unternehmen aus dem Bereich der Daseinsvorsorge.
64
dd) Diese Besserstellung ist nicht durch die Natur oder den inneren Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt.
65
Der Begriff der staatlichen Beihilfe erfasst staatliche Manahmen, die eine Differenzierung zwischen Unternehmen vornehmen und damit a priori selektiv sind, dann nicht, wenn diese Differenzierung aus der Natur oder dem inneren Aufbau der Lastenregelung folgt, mit der sie in Zusammenhang stehen (EuGH-Urteil Ministerio de Defensa und Navantia, EU:C:2014:2262, Rz 42 und die dort angefhrte Rechtsprechung). Eine Manahme, die eine Ausnahme von der Anwendung des allgemeinen Steuersystems darstellt, kann damit gerechtfertigt sein, wenn sie nachweisbar unmittelbar auf den Grund– oder Leitprinzipien seines Steuersystems beruht. Insoweit ist allerdings zu unterscheiden zwischen den mit einer bestimmten Steuerregelung verfolgten Zielen, die auerhalb dieser Regelung liegen, und den dem Steuersystem selbst inhrenten Mechanismen, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sind (EuGH-Urteil Ministerio de Defensa und Navantia, EU:C:2014:2262, Rz 43). Vorliegend ist das mit 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F. verfolgte Ziel, die Finanzierung von Daseinsvorsorgeaufwendungen der ffentlichen Hand zu erleichtern, ein auersteuerliches, nicht steuersysteminhrentes Motiv und deshalb nicht geeignet, den Beihilfecharakter der Manahme auszuschlieen.
66
d) Art. 107 Abs. 1 AEUV verbietet Beihilfen, die den Wettbewerb verflschen oder zu verflschen drohen. Nach der Rechtsprechung des EuGH bedarf es in diesem Zusammenhang nicht des Nachweises einer tatschlichen Wettbewerbsverzerrung, sondern nur der Prfung, ob die Beihilfe geeignet ist, den Wettbewerb zu verflschen (vgl. EuGH-Urteil Cassa di Risparmio di Firenze u.a., EU:C:2006:8, Rz 140, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Von einer potentiellen Wettbewerbsbeeintrchtigung durch 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F. ist vorliegend auszugehen. In diesem Zusammenhang ist wiederum zu bercksichtigen, dass durch das Absehen vom gewinnerhhenden Ansatz einer vGA erst die Mglichkeit geschaffen wird, die laufenden Verluste bei der Einkommensermittlung der Gesellschaft mit den Gewinnen aus weiteren Ttigkeitsbereichen (z.B. Energie– und Wasserversorgung etc.) zu verrechnen und dadurch die Steuerlast dieser gewinntrchtigen Ttigkeitsbereiche zu verringern. Eine potentielle Wettbewerbssituation mit berregionalen privaten Anbietern aus diesen Ttigkeitsbereichen ist naheliegend.
67
e) Im Streitfall handelt es sich auch nicht um eine sog. "De-minimis"-Beihilfe, die unter die Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 der Kommission vom 15.12.2006 (ABlEU 2006, Nr. L 379, 5) fllt. Danach stellen Finanzhilfen, die einen Gesamtbetrag von 200.000 innerhalb von drei Jahren nicht berschreiten, keine staatlichen Beihilfen dar, da sie den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht wesentlich beintrchtigen. Unabhngig davon, dass dieser Betrag im Streitfall berschritten sein drfte, ist der Rechtsprechung des EuGH zu entnehmen, dass eine nationale Regelung, die keine Begrenzung des Betrages vorsieht, den ein einzelnes Unternehmen erhalten kann, bereits nicht unter die in der Bekanntmachung der Kommission aufgestellte "De-minimis"-Regel fllt (vgl. EuGH-Urteil Heiser, EU:C:2005:130; hierzu auch Weitemeyer, FR 2009, 1). So verhlt es sich im Streitfall bei der Regelung des 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F.
68
f) 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F. ist eine "neue Beihilfe" i.S. des Art. 108 Abs. 3 AEUV und unterliegt daher der Anwendungssperre in Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV.
69
aa) Art. 108 AEUV, der der Europischen Kommission die fortlaufende berprfung und Kontrolle staatlicher oder aus staatlichen Mitteln gewhrter Beihilfen ermglichen soll, sieht fr bestehende und fr neue Beihilfen jeweils unterschiedliche Verfahren vor (vgl. z.B. EuGH-Urteil Namur-Les assurances du crdit/Office national du ducroire und Belgischer Staat vom 09.08.1994 – C–44/93, EU:C:1994:311). Whrend "neue Beihilfen" gem Art. 108 Abs. 3 AEUV zuvor der Europischen Kommission zu melden sind und nicht durchgefhrt werden drfen, bevor das Verfahren zu einer abschlieenden Entscheidung gefhrt hat, drfen "bestehende Beihilfen" gem Art. 108 Abs. 1 AEUV regelmig durchgefhrt werden, solange die Kommission nicht ihre Vertragswidrigkeit festgestellt hat (vgl. EuGH-Urteil P, EU:C:2013:525).
70
Nach Art. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. Mrz 1999 ber besondere Vorschriften fr die Anwendung von Art. 93 des EG-Vertrags —jetzt Art. 108 AEUV— (Amtsblatt der Europischen Gemeinschaften 1999, Nr. L 83, 1) —VerfVO— sind "bestehende Beihilfen" unter anderem (u.a.) alle Beihilfen, die vor Inkrafttreten des Vertrags am 01.01.1958 in dem entsprechenden Mitgliedstaat bestanden, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die vor dem 01.01.1958 eingefhrt worden und auch nach Inkrafttreten des Vertrags noch anwendbar sind. "Neue Beihilfen" sind alle Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschlielich nderungen bestehender Beihilfen (Art. 1 Buchst. c VerfVO). Nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21.04.2004 zur Durchfhrung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates ber besondere Vorschriften fr die Anwendung von Art. 93 des EG-Vertrags —jetzt Art. 108 AEUV— (ABlEU 2004, Nr. L 140, 1) ist die nderung einer "bestehenden Beihilfe" jede nderung, auer einer nderung rein formaler oder verwaltungstechnischer Art, die keinen Einfluss auf die Wrdigung der Vereinbarkeit der Beihilfemanahme mit dem Gemeinsamen Markt haben kann.
71
bb) Ausgehend von diesen Rechtsmaßstäben handelt es sich bei § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 KStG n.F. um eine "neue" Beihilfe, die der Anwendungssperre des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV unterliegt.
72
Die Neuregelung führt keine bereits zum Zeitpunkt des 01.01.1958 in Deutschland existente und seitdem fortbestehende Rechtslage weiter (ebenso Gosch, a.a.O., § 8 Rz 1043 b; Kohlhepp in Schnitger/Fehrenbacher, a.a.O., § 8 Rz 830; Märtens in Lüdicke/ Mellinghoff/Rödder [Hrsg.], a.a.O., S. 279, 289 f.; a.A. Hüttemann, Der Betrieb 2009, 2629; Schiffers, Der GmbH-Steuerberater 2009, 67; Weitemeyer, FR 2009, 1; Müller-Gatermann, FR 2009, 314; Krämer in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 7 KStG Rz 15, 45; Meier/Semelka in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rz 542; Blümich/Rengers, § 8 KStG Rz 1102; Paetsch in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8 Rz 1831).
73
aaa) Das ergibt sich zunächst daraus, dass zum Stichtag 01.01.1958 weder Gerichtsurteile noch Verwaltungsanweisungen existiert haben, die sich mit der Thematik der ertragsteuerrechtlichen Behandlung dauerverlustbehafteter wirtschaftlicher Betätigungen von Eigengesellschaften juristischer Personen des öffentlichen Rechts befasst haben. Wie oben dargestellt, hat die Finanzverwaltung das Thema erstmals in Abschn. 5 Abs. 10 KStR 1977 aufgegriffen. Die einschlägigen BFH-Urteile stammen aus dem Jahr 2004 (Senatsurteil in BFHE 207, 142) und 2007 (Senatsurteil in BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961).
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bbb) Des Weiteren hat der BFH als für die Auslegung der steuerrechtlichen Vorschriften zuständiges höchstes Fachgericht die die vGA regelnde Bestimmung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG —die sinngemäß auch schon am 01.01.1958 galt (seinerzeit § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG i.d.F. vom 19.12.1957, BGBl I 1957, 1865, BStBl I 1958, 12)— in den beiden zuvor genannten Urteilen dahin ausgelegt, dass die Übernahme einer strukturell defizitären Betätigung durch eine Eigengesellschaft (stets) als vGA zu beurteilen ist und zur außerbilanziellen Hinzurechnung der Verluste führt. Diese Rechtslage hat der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG n.F. im Sinne der Auffassung der Finanzverwaltung (z.B. BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 905) rückwirkend dahin geändert, dass die dauerdefizitäre Betätigung von Eigengesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen nicht die Rechtsfolgen einer vGA auslöst. In diesem —für die Beurteilung des Streitfalls maßgeblichen— Punkt hat das Jahressteuergesetz 2009 mithin eine Änderung der bis dahin bestehenden Rechtslage bewirkt.
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ccc) Für den im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Zeitraum der Rückwirkung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG n.F. kommt hinzu, dass die Regelung des § 8 Abs. 9 KStG n.F. mit der flankierenden Spartenrechnung, die verhindern soll, dass die durch § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG n.F. privilegierten Dauerverluste mit Gewinnen aus nicht "zusammenfassungsfähigen" Geschäftszweigen verrechnet werden können, noch nicht greift, weil § 8 Abs. 9 KStG n.F. erst ab dem Veranlagungszeitraum 2009 anwendbar ist und nicht mit Rückwirkung versehen worden ist. Dadurch ist im Rückwirkungszeitraum des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG n.F. eine Rechtslage entstanden, in der die Eigengesellschaften besser gestellt sind, als sie unter Zugrundelegung der von der Finanzverwaltung vor dem Jahressteuergesetz 2009 auch für Eigengesellschaften befürworteten "Zusammenfassungsgrundsätze" stehen würden. Der Streitfall zeigt dies anschaulich: Auf der Grundlage der für die BgA geltenden "Zusammenfassungsgrundsätze" wären die Verluste aus dem Betrieb der Schwimmhalle der Klägerin nach den Feststellungen des FG im angefochtenen Urteil mangels hinreichender technisch-wirtschaftlicher Verflechtung der Schwimmhalle mit dem von der Klägerin betriebenen Fernwärme-Heizkraftwerk nicht mit deren Gewinnen aus dem Tätigkeitsbereich der Energieversorgung verrechenbar gewesen. Die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG n.F. auf den Streitfall führt hingegen dazu, dass die Verluste aus dem Betrieb der Schwimmhalle sowohl steuerrechtlich anzuerkennen als auch in vollem Umfang mit Gewinnen aus jeglichen anderen Geschäftszweigen der Klägerin verrechenbar sind.
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IV. Die dem EuGH vorgelegten Rechtsfragen sind entscheidungserheblich.
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Sollte es sich bei 8 Abs. 7 KStG n.F. um eine Beihilfe i.S. von Art. 107 Abs. 1 AEUV handeln, wre die Vorschrift nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV bis zu einer Entscheidung der Kommission ber die Vereinbarkeit der Steuerbegnstigung mit dem Binnenmarkt nicht anwendbar. Das Revisionsverfahren msste bis zur Entscheidung der Kommission ausgesetzt werden.
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Sollte die Steuerbegnstigung nach 8 Abs. 7 KStG n.F. keine verbotene Beihilfe sein, wre die Entscheidung des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben. Die Revision der Klgerin wre begrndet. Die Klgerin knnte die Steuerbegnstigung beanspruchen.
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V. Das Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH ist nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erforderlich.
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VI. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf 121 Satz 1 i. V. m. 74 der Finanzgerichtsordnung.