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VG Freiburg, Urteil vom 27.03.2019 Az. 1 K 5856/17

1. Zur Frage, ob § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO hinsichtlich der Einsicht in Niederschriften von nichtöffentlichen Gemeinderatssitzungen eine vorrangige und abschließende Regelung i.S.d. § 1 Abs. 3 LIFG darstellt.
2. Zur Frage, ob ein Anspruch nach § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO auf Einsicht in die Niederschrift einer nichtöffentlich abgehaltenen Gemeinderatssitzung besteht, wenn der Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 35 Abs. 1 GemO rechtswidrig erfolgt ist.
Einsicht in Niederschrift einer nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung; Ausschluss der Öffentlichkeit; Informationsfreiheit
LIFG § 1 Abs. 2 , LIFG § 1 Abs. 3 , GemO § 35 Abs. 1 , GemO § 38 Abs. 2 S. 4
VERWALTUNGSGERICHT FREIBURG
Im Namen des Volkes
Urteil
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Akteneinsicht
hat das Verwaltungsgericht Freiburg - 1. Kammer - ohne mündliche Verhandlung
am 27. März 2019
für R e c h t erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, ein Einwohner der Beklagten, begehrt Akteneinsicht in die Niederschrift einer nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats der Beklagten.
Mit Schreiben vom 04.01.2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten Einsicht in die Niederschrift über die nichtöffentliche Gemeinderatssitzung vom 01.12.2016. Gegenstand der Sitzung war die Abwassergebührennachkalkulation 1994-1996. Er verwies auf das Recht zur informationellen Selbstbestimmung in Verbindung mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit von Sitzungen des Gemeinderats. Danach sei die Vorwegnahme der Sachdiskussion in nichtöffentlichen Sitzungen in Verbindung mit der unterlassenen Offenlegung des eigentlichen Willensbildungsprozesses des Gemeinderats aus der vorangegangenen nichtöffentlichen Sitzung rechtswidrig. Durch den Hinweis in der Sitzungsvorlage Nr. 289/16 seien die Gemeinderäte von der Schweigepflicht auf konkludente Weise befreit worden. Damit sei auch das entsprechende Protokoll über die nichtöffentliche Vorberatung öffentlich geworden.
Mit Bescheid vom 27.01.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab. § 1 Abs. 3 Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) bestimme, dass abschließende Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen dem Landesinformationsfreiheitsgesetz vorgingen. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO sei eine solche abschließende Regelung. Eine Einsichtnahme in die nichtöffentlichen Niederschriften einer Gemeinderatssitzung sei daher ausgeschlossen.
Der Kläger erhob am 30.01.2017 Widerspruch. Er führte aus, § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO sei hier nicht maßgeblich, soweit auf die Nichtöffentlichkeit abgestellt werde. Durch die Verfahrensweise in der öffentlichen Sitzung des Gemeinderats am 15.12.2016 sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Urteil vom 23.06.2015 - 8 S 1386/14 -) das Protokoll zu diesem Tagesordnungspunkt der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats vom "05.12.2016" (gemeint ist wohl 01.12.2016) öffentlich geworden. Zudem fehle es dem Bescheid vom 27.01.2017 an einer ordnungsgemäßen Begründung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2017 wies das Landratsamt den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei unbegründet, weil der Kläger weder aus dem Landesinformationsfreiheitsgesetz noch aus der Gemeindeordnung einen Anspruch auf Einsicht in die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats ableiten könne. Bereits der Anwendungsbereich des Landesinformationsfreiheitsgesetzes sei nicht eröffnet. Nach § 1 Abs. 3 LIFG gingen andere Vorschriften, die den Zugang zu amtlichen Informationen regelten, den Vorschriften des LIFG vor. Bei § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO handele es sich um eine solche Vorschrift. Bei den Niederschriften der Protokolle handele es sich um amtliche Informationen i.S.d. § 1 Abs. 3 LIFG. Der Gesetzgeber habe durch § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO den Zugang zu den Protokollen abschließend geregelt. Einwohnern sei nur die Einsichtnahme in Niederschriften über öffentliche Sitzungen gestattet. Aus dem Umkehrschluss ergebe sich, dass die Einsichtnahme in Niederschriften über nichtöffentliche Sitzungen nicht gestattet sei. Die vom Kläger herangezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg führe zu keinem anderen Ergebnis. Die dortige Entscheidung habe die Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit zum Gegenstand gehabt. Hier gehe es jedoch um ein Auskunftsverlangen in Protokolle einer nichtöffentlichen Sitzung. Selbst wenn angenommen werden müsste, dass durch die Behandlung der Angelegenheit in öffentlicher Sitzung die Schweigepflicht der Gemeinderäte zwischenzeitlich aufgehoben worden sein sollte, sei die Einsichtnahme in die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung weiterhin ausgeschlossen.
Der Kläger hat am 14.07.2017 Klage erhoben und führt aus, ein Verstoß gegen das Gebot der Öffentlichkeit begründe eine schwerwiegende Verfahrensverletzung und begründe die Rechtswidrigkeit des Gemeinderatsbeschlusses. Sei die Vorlage der Akten selbst Gegenstand des Rechtsstreits und hänge die Entscheidung des Gerichts von der Kenntnis des Akteninhalts ab, habe die Behörde im gerichtlichen Verfahren nicht nur die Akten vorzulegen, die anlässlich des Begehrens angefallen seien, sondern auch die Akten, deren Einsichtnahme begehrt werde.
Der Zweck des LIFG sei es, durch ein umfassendes Informationsrecht den freien Zugang zu amtlichen Informationen zu gewährleisten. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO regele ausdrücklich allein die Einsichtnahme von Einwohnern in die Niederschriften von öffentlichen Sitzungen des Gemeinderates. Der Vorschrift könne nicht entnommen werden, dass Einwohnern nur die Einsichtnahme in die Niederschriften über öffentliche Sitzungen gestattet sei.
Der Bürgermeister könne Gemeinderäte von der Schweigepflicht befreien und damit Öffentlichkeit herstellen. Die Verwaltung könne dem Kläger die begehrte Einsicht gewähren, es handele sich dabei um eine Ermessensentscheidung. Die Beklagte habe keine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung getroffen. Jedenfalls sei eine dabei gebotene Interessenabwägung nicht ersichtlich.
Es sei zudem nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO für eine nichtöffentliche Verhandlung in der Gemeinderatssitzung vom 01.12.2016 erfüllt gewesen seien. Daraus folge, dass die nichtöffentliche Beratung am 01.12.2016 rechtswidrig gewesen sei, was zur Folge habe, dass der Gemeinderatsbeschluss vom 15.12.2016 zur Abwassergebührennachkalkulation 1994-1996 und der Satzungsbeschluss vom 25.04.2017 nichtig seien.
Sinn und Zweck des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO sei es nicht, rechtswidriges Vorgehen zu decken, um die Beweggründe für die anstehende Entscheidung rechtswidrig vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Die Ermessensentscheidung der Beklagten über die Gewährung der Akteneinsicht sei bereits deshalb ermessensfehlerhaft, weil vorliegend die Beratung im Gemeinderat in unzulässiger Weise in nichtöffentlicher Sitzung stattgefunden habe.
Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Informationsanspruch des Parlaments (Urteil vom 07.11.2017 - 2 BvE 2/11 -), führt der Kläger weiter aus, eine einfachgesetzliche Vorschrift wie die des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO sei nicht geeignet, dass Frage- und Informationsrecht nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz zu beschränken. Die Grenze des Informationsanspruchs sei allein das Wohl des Bundes oder eines Landes, dass durch das Bekanntwerden geheimhaltungswürdige Informationen gefährdet werden könne.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 27.01.2017 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts vom 07.07.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Einsicht in die Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderats am 01.12.2016 i.S. Abwassergebührennachkalkulation 1994-1996 neu zu entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und führt ergänzend aus, § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO entfalte eine Sperrwirkung nach § 1 Abs. 3 LIFG. Selbst wenn es diese Regelung nicht geben würde, würde der Ausschluss direkt aus § 4 Abs. 1 Nr. 6 LIFG folgen. Danach sei die Vertraulichkeit von Beratungen und Entscheidungsprozessen geschützt, die in einer nichtöffentlichen Sitzung offenkundig sei.
Mit Schriftsatz vom 20.12.2018 hat die Beklagte auf mündliche Verhandlung verzichtet. Mit Schriftsatz vom 28.12.2018 hat der Kläger ebenfalls auf mündliche Verhandlung verzichtet und zugleich den unbedingten Beweisantrag gestellt, der Beklagten die Vorlage der streitgegenständlichen Niederschrift vom 01.12.2016 aufzugeben, um nachweisen zu können,
"1. dass das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen einzelner die nichtöffentliche (Vor-)Beratung und Beschlussfassung des Verhandlungsgegenstandes 'Abwassergebührenkalkulation 1994-1996 vom Dezember 2016' nicht erfordert, sondern wegen des Grundsatzes der Öffentlichkeit gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO sogar verbietet und
2. das in Rede stehende Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung keine schützenswerten Inhalte enthält."
Die Pflicht zur Vorlage der Niederschrift ergebe sich aus § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Inhalt des Protokolls sei nicht schützenswert. Gegebenenfalls könnten schützenswerte Teile geschwärzt werden. Ohne Kenntnis des Inhalts des Protokolls könne das Gericht zu eventuell schützenswerten und deshalb zu schwärzenden Teilen des Protokolls nicht entscheiden.
Die Beklagte hat es abgelehnt, auf die Aufklärungsverfügung des Berichterstatters vom 14.01.2019 hin die streitgegenständlichen Niederschriften vorzulegen. Der Vorlage stehe entgegen, dass aus der Niederschrift über die nichtöffentliche Gemeinderatssitzung vom 01.12.2016 Rückschlüsse auf den Beratungsablauf und den Prozess der Willensbildung in der Ratssitzung möglich seien, in der schutzwürdige und geheimhaltungsbedürftige Interessen einzelner Bürger der Beklagten erörtert worden seien. Die Nichtöffentlichkeit von Sitzungen solle die Vertraulichkeit der Beratung gewährleisten. Deshalb sei von der Schutzfunktion der Nichtöffentlichkeit der Sitzung gerade der Diskussionsverlauf umfasst. Die verfahrensgegenständliche Niederschrift über die nichtöffentliche Gemeinderatssitzung vom 01.12.2016 enthalte zudem Informationen zu einem Rechtsstreit, der immer noch anhängig und noch nicht abgeschlossen sei. Auch insofern bestehe ein fortgesetztes Geheimhaltungsbedürfnis. Es sei im Übrigen darauf hinzuweisen, dass sämtliche Informationen, die nicht persönliche Belange einzelner Bürger beträfen, im Rahmen der anschließenden öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 15.12.2016 dem Gemeinderat in der Öffentlichkeit vorgelegt und berichtet worden seien. Dies betreffe insbesondere die Gebührenkalkulation 1994-1996, die Sitzungsvorlage und die PowerPoint-Präsentation im Rahmen der öffentlichen Beratung über diesen Tagesordnungspunkt.
Der Kläger hat hierzu Stellung genommen und ausgeführt, diese Darlegungen seien ungenügend, um die verweigerte Vorlage zu begründen. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 LIFG bestehe der Anspruch auf Informationszugang dann nicht, soweit und solange das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit von Beratungen und Entscheidungsprozessen haben könne. Das nunmehrige Bekanntwerden des Inhalts des begehrten Protokolls vom 01.12.2016 könne aber keine nachteiligen Auswirkungen mehr auf die Beratungs- und Entscheidungsprozesse haben, weil der Entscheidungsprozess zwischenzeitlich beendet sei. Soweit die Beklagte auf vermeintlich schutzwürdige Interessen von Bürgern abstelle, sei auf § 8 Abs. 1 Satz 1 LIFG zu verweisen. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass bzw. welche schutzwürdigen Interessen der angeblich betroffenen einzelnen Bürger vorlägen. Sie hätte in diesem Fall von den Betroffenen zudem eine Einwilligung einholen können. Von dem in Rede stehenden Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats vom 01.12.2016 sei ausschließlich das Unternehmen L. F. GmbH berührt, da alle anderen Gebührenverhältnisse abgewickelt seien. Der Insolvenzverwalter des Unternehmens habe selbst einen Antrag auf Akteneinsicht bei der Beklagten gestellt und auch seine Einwilligung zum Informationszugang durch den Kläger erteilt. Die Beklagte habe insgesamt nicht dargelegt, welche besonderen öffentlichen Belange im Sinne des § 4 LIFG dem Informationsbegehren entgegenstünden. Die Gründe für die rückwirkende Inkraftsetzung der Abwassergebührensätze 1994 - 1996 seien öffentlich bekannt. Es sei auch unzutreffend, dass ein Rechtsstreit nach wie vor gerichtlich anhängig sei. Die besagte Streitigkeit befinde sich derzeit noch im Widerspruchsverfahren. Es dränge sich der Verdacht auf, dass die Beklagte die nichtöffentliche Vorberatung zu sachwidrigen, verbunden mit subjektiven Informationen an den Gemeinderat über die langjährigen erfolglosen Auseinandersetzungen der Beklagten mit dem Kläger genutzt habe. Die Beklagte wolle wohl Kalkulationsprobleme und qualifizierte Pflichtverletzungen der Öffentlichkeit vorenthalten. Diese Mängel der Verwaltung der Beklagten stellten keine besonderen öffentlichen Belange im Sinne des Landesinformationsfreiheitsgesetzes dar. Die Verweigerung der begehrten Einsicht beruhe darauf, dass die Verwaltung der Beklagten unzulässig auf die Beschlussfassung des Gemeinderats eingewirkt habe, um Interessen der Verwaltung selbst zu schützen. Bereits die Berichterstattung an den Gemeinderat zur nichtöffentlichen Sitzung am 01.12.2016 sei offensichtlich unvollständig und rechtswidrig gewesen. Die Beklagte verweigere die Akteneinsicht nur, um dies zu unterdrücken. Die Verwaltung der Beklagten habe es unterlassen, den Gemeinderat über die eigenen qualifizierten Pflichtverletzungen der Vergangenheit zu informieren. Es sei erforderlich, die vom Kläger begehrten Informationen zu verbreiten, weil sich dies auch auf die Wirksamkeit der Änderungssatzung vom 25.04.2017 auswirke.
Dem Gericht liegen die Akten der Beklagten (1 Band) und die Akten des Widerspruchsverfahrens des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis (1 Band) vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des wechselseitigen Vorbringens wird auf diese Akten sowie die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.
Die Kammer entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Kammer ist nicht verpflichtet, den unbedingten Beweisantrag, den der Kläger im Schriftsatz vom 28.12.2018 neben der Erklärung des Verzichts auf mündliche Verhandlung beantragt hat, nach § 86 Abs. 2 VwGO vorab zu bescheiden. Denn diese Pflicht besteht dann nicht, wenn der Kläger - wie hier - den Beweisantrag vor oder gleichzeitig mit einem Verzicht auf mündliche Verhandlung stellt (BVerwG, Beschluss vom 06.09.2011 - 9 B 48/11 -, NVwZ 2012, 376; s. aber auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.03.2005 - 13 S 988/04 -, NVwZ 2006, 225 zu der besonderen Konstellation, dass der unbedingte Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verzicht auf weitere mündliche Verhandlung gestellt worden ist).
B.
Statthaft ist die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO in Gestalt der Versagungsgegenklage, weil die Entscheidung der Beklagten über die Gewährung von Akteneinsicht einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 LVwVfG darstellt. Die Beklagte hat bei der Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht umfassend zu prüfen, ob und inwieweit die rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Akteneinsicht oder eines sonstigen Informationsanspruchs gegeben sind und ob etwaigen Ansprüchen ggf. Verweigerungsgründe entgegenstehen. Dabei hat sie eine umfassende Güter- und Interessenabwägung zu treffen. In dieser differenzierten Entscheidung liegt die Regelung, die entscheidend für das Vorliegen eines Verwaltungsakts spricht (VG Freiburg, Urteil vom 17.05.2017 - 1 K 1802/16 - und vom 14.12.2016 - 1 K 2230/15 -; für die Entscheidung nach § 7 LIFG Debus, in: Debus, Informationszugangsrecht BW, 2017, § 7 LIFG, Rn. 16).
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil der Kläger weder nach den Vorschriften der Gemeindeordnung noch nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz einen Anspruch auf Akteneinsicht in bzw. Informationszugang zu der Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats vom 01.12.2016 hat (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Einsicht in die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats vom 01.12.2016 aus § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO.
1. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO gewährt Einwohnern nur einen Anspruch auf Einsichtnahme in Niederschriften öffentlicher Gemeinderatssitzungen (Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, Stand: Dezember 2017, § 38 Rn. 8; Engel/Heilshorn, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 10. Auflage 2015, § 14 Rn. 189; Geis, Kommunalrecht, 4. Auflage 2016, Rn. 142).
Der Kläger ist zwar Einwohner der Beklagten i.S.d. § 10 Abs. 1 GemO. Die Sitzung des Gemeinderats vom 01.12.2016 war jedoch nichtöffentlich. Es ist unerheblich, ob der Bürgermeister der Beklagten - wie der Kläger meint - die Gemeinderäte durch den Hinweis in der Sitzungsvorlage Nr. 289/16 von der Schweigepflicht - auf konkludente Weise - entbunden hat. Denn Einwohnern ist eine Einsicht in Niederschriften nichtöffentlicher Sitzungen auch dann versagt, wenn der Bürgermeister die Schweigepflicht i.S.v. § 35 Abs. 2 GemO aufgehoben hat (Brenndörfer, in: Dietlein/Pautsch, BeckOK Kommunalrecht BW, 5. Edition 2019, § 38 Rn. 12; Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, Stand: Dezember 2017, § 38 Rn. 8).
Ein Anspruch auf Einsichtnahme in Niederschriften nichtöffentlicher Gemeinderatssitzungen steht ausschließlich Gemeinderäten zu (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.05.1973, -I 123/73 -, BWVPr. 1974, 81; Brenndörfer, in: Dietlein/Pautsch, BeckOK Kommunalrecht BW, 5. Edition 2019, § 38 Rn. 12; Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, Stand: Dezember 2017, § 38 Rn. 9). Der Kläger ist indes kein Mitglied des Gemeinderats der Beklagten.
2. Ein Anspruch eines Einwohners auf Einsicht in Niederschriften einer Gemeinderatssitzung besteht auch dann nicht nach § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO, wenn der Gemeinderat unter Verstoß gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO in Ermangelung der Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO nichtöffentlich verhandelt hat. Die Kammer hat daher bei der Prüfung des Anspruchs nach § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO auf Einsicht in die Niederschriften einer Gemeinderatssitzung nicht aufzuklären, ob bei der Gemeinderatssitzung am 01.12.2016 der tatsächlich erfolgte Ausschluss der Öffentlichkeit rechtswidrig erfolgt ist. Denn die Rechtswidrigkeit der nichtöffentlichen Verhandlung führt nicht dazu, dass die Sitzung und deren Niederschrift deshalb als "öffentlich" i.S.d. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO zu behandeln wären.
Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO. Hiernach ist die "Einsichtnahme in die Niederschriften der öffentlichen Sitzungen" den Einwohnern gestattet. Die Vorschrift stellt darauf ab, ob die Sitzung "öffentlich" war, also tatsächlich öffentlich verhandelt worden ist. Sie stellt nicht darauf ab, dass die Sitzung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 GemO hätte öffentlich sein müssen (Krebs, Der kommunale Öffentlichkeitsgrundsatz, S. 211, Fn. 1214). Hätte der Gesetzgeber eine Verknüpfung zwischen § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO und § 35 Abs. 1 GemO gewollt, hätte er dies ohne Weiteres im Wortlaut niederlegen und formulieren können.
Ferner führt eine Verletzung des § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO durch eine nichtöffentliche Verhandlung ohne die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO nicht ipso iure dazu, dass eine nichtöffentlich abgehaltene Sitzung als eine "öffentliche Sitzung" im Sinne des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO zu behandeln ist. Der Verstoß gegen das Öffentlichkeitsprinzip ist ein wesentlicher Verfahrensfehler und führt zur Rechtswidrigkeit der in der Sitzung getroffenen Beschlüsse (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.01.1971 - II 141/68 -, ESVGH 22, 18; Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, Stand: Dezember 2017, § 35 Rn. 13 und § 34 Rn. 11; Engel/Heilshorn, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 10. Auflage 2015, § 14 Rn. 193). Dies ergibt sich für einfache Beschlüsse aus § 37 Abs. 1 Satz 1 GemO, wonach der Gemeinderat nur in einer ordnungsgemäß einberufenen und geleiteten Sitzung beraten und beschließen kann. Beschlüsse über Satzungen oder anderes Ortsrecht sind nach § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GemO bei Verstoß gegen das Öffentlichkeitsprinzip nicht heilbar und stets nichtig (vgl. nur VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.02.2013 - 1 S 2155/12 -, juris Rn. 9). Die Rechtsfolge der Verletzung des § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO erschöpft sich in der Rechtswidrigkeit oder Nichtigkeit der in der nichtöffentlichen Sitzung gefassten Beschlüsse; schließt sich an eine Vorberatung in einer rechtswidrig nichtöffentlichen Sitzung eine öffentliche Beschlussfassung an, kann der Verstoß unter bestimmten Voraussetzungen sogar folgenlos sein (Brenndörfer, in: Dietlein/Pautsch, BeckOK Kommunalrecht BW, 5. Edition 2019, § 35 Rn. 29.1).
Im Falle eines Verstoßes gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz des § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO muss sich der Gemeinderat vertagen, die Öffentlichkeit zulassen und erneut verhandeln (Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, Stand: Dezember 2017, § 35 Rn. 13). In die für diese öffentliche Sitzung anfallenden Niederschriften können die Einwohner dann auch nach § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO Einsicht beanspruchen. Einen Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz kann jedoch nicht jeder Einwohner über § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO gerichtlich geltend machen, sondern nur derjenige Einwohner, der aufgrund des unter Verstoß gegen das Öffentlichkeitsprinzip getroffenen (Satzungs-)Beschlusses in seinen Rechten verletzt ist. Selbst die Ratsmitglieder oder Ratsfraktionen haben kein wehrhaftes Organrecht darauf, dass der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit gewahrt wird, weil er ausschließlich die Allgemeinheit schützt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.08.2017 - 1 S 542/17 -, NVwZ-RR, 2018, 358, 362 und Beschluss vom 02.09.2011 - 1 S 1318/11 -, BeckRS 141406; a.A. OVG NRW, Urteil vom 24.04.2001 - 15 A 3021/97 -, NVwZ-RR 2002, 135; Hess. VGH, Urteil vom 06.11.2008 - 8 A 674/08 -, juris Rn. 17; Engel/Heilshorn, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 10. Auflage 2015, § 14 Rn. 193). Allein die Rechtsaufsichtsbehörde kann im Übrigen einen Verstoß gegen das Öffentlichkeitsprinzip nach § 121 Abs. 1 GemO beanstanden. Eine Verknüpfung des Anspruchs aus § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO mit den materiellen Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO würde dazu führen, dass den Einwohnern die Möglichkeit eingeräumt werden würde, den rein objektiv-rechtlichen Verstoß gegen das ausschließlich die Allgemeinheit schützende Gebot der Sitzungsöffentlichkeit (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.08.2017 - 1 S 542/17 -, NVwZ-RR, 2018, 358, 362 und Beschluss vom 02.09.2011 - 1 S 1318/11 -, BeckRS 141406) nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO unabhängig davon zu rügen, ob sie vom Beratungs- und Beschlussgegenstand der Sitzung in ihren subjektiven Rechten betroffen sind. Eine solche Möglichkeit ist dem deutschen System des subjektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) im Allgemeinen - jenseits unionsrechtlicher Vorgaben - und dem Kommunalverfassungsrecht im Besonderen grundsätzlich fremd.
Gegen eine Verknüpfung des Tatbestandsmerkmals "öffentlich" des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO mit § 35 Abs. 1 GemO spricht weiter, dass andernfalls im Umkehrschluss die Einsichtnahme in Niederschriften öffentlich abgehaltener Sitzungen abzulehnen wäre, wenn nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO zwingend nichtöffentlich zu verhandeln gewesen wäre. Ein Verstoß gegen § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO führt aber nicht dazu, dass aus einer öffentlich durchgeführten Sitzung eine nichtöffentliche Sitzung im Rechtssinne wird (so aber wohl Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, Stand: Dezember 2017, § 38 Rn. 2 a.E.).
Schließlich steht einer materiellen Verknüpfung des Tatbestandsmerkmals "öffentlich" in § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO mit § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 GemO das besondere kommunalverfassungsrechtliche Organisationsgefüge entgegen. Ein Antrag auf Einsicht in die Niederschrift einer Gemeinderatssitzung nach § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO ist seitens der Einwohner an den Bürgermeister als Vertreter der Gemeinde und Leiter der Gemeindeverwaltung zu richten, § 42 Abs. 1 Satz 1 und 2 GemO. Er hat hierüber in der Regel als Gegenstand der laufenden Verwaltung in eigener Zuständigkeit zu entscheiden, § 44 Abs. 2 Satz 1 GemO. Wäre für die Anspruchsvoraussetzung der "öffentlichen Sitzung" § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 GemO unabhängig davon maßgeblich, ob die Sitzung tatsächlich öffentlich war, hätte der Bürgermeister seinerseits als Leiter der Gemeindeverwaltung die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO im Nachgang zur betreffenden Sitzung zu prüfen. Über die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO entscheidet der Bürgermeister jedoch in der Regel vor der Sitzung im Rahmen der Ladung oder der Gemeinderat auf Antrag aus der Mitte des Gemeinderats in nichtöffentlicher Sitzung. Hält der Bürgermeister den Ausschluss der Öffentlichkeit für gesetzwidrig, muss er dem Beschluss unverzüglich, spätestens binnen einer Woche nach Beschlussfassung widersprechen, § 43 Abs. 2 Satz 2 GemO. Gleichzeitig hat er eine neue Sitzung des Gemeinderats einzuberufen und im Falle der erneuten gesetzwidrigen Sitzung und Beschlussfassung erneut zu widersprechen und unverzüglich die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde herbeizuführen, § 43 Abs. 2 Satz 4 und 5 GemO. Diese dem besonderen kommunalverfassungsrechtlichen Organisationsgefüge geschuldete Zuständigkeits-, Fristen- und Verfahrensregelung würde gänzlich unterlaufen werden, wenn Anspruchsvoraussetzung des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO wäre, dass die Sitzung - unabhängig davon, ob sie tatsächlich öffentlich abgehalten worden ist - nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 GemO hätte öffentlich sein müssen.
3. Es kommt nicht darauf an, ob in der nichtöffentlichen Sitzung ausschließlich Rechte und Belange der inzwischen insolventen L. F. GmbH betroffen sind und diese mit einer Einsichtnahme durch den Kläger in die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung einverstanden ist. Auch wenn der Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO ausschließlich auf "berechtigten Interessen einzelner" beruhen sollte, steht der Schutz des nichtöffentlichen Beratungsvorgangs und Willensbildungsprozesses des Gemeinderats nicht zur Disposition der in ihren berechtigten Interessen betroffenen Person.
II.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 1 Abs. 2 LIFG auf Einsicht in die Niederschriften der nichtöffentlichen Sitzung vom 01.12.2016. Denn § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO geht dem allgemeinen Informationsanspruch aus § 1 Abs. 2 LIFG gemäß § 1 Abs. 3 LIFG vor, weil § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO eine andere Rechtsvorschrift ist, die den Zugang zu amtlichen Informationen abschließend regelt und § 1 Abs. 2 LIFG verdrängt.
Sofern der Zugang zu amtlichen Informationen in anderen Rechtsvorschriften abschließend geregelt ist, gehen diese mit Ausnahme des § 29 LVwVfG und des § 25 SGB X vor, § 1 Abs. 3 LIFG.
Eine andere Vorschrift sperrt einen Rückgriff auf § 1 Abs. 3 LIFG dann, wenn es sich um eine abschließende Regelung mit Außenwirkung handelt, deren Regelungsgegenstand mit dem des § 1 Abs. 2 LIFG abstrakt identisch ist (vgl. OVG NRW, Urteil vom 02.06.2015 - 15 A 1997/12 -, juris Rn. 58 zu § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW; Sicko, in: Debus, Informationszugangsrecht BW, 2017, § 1 LIFG, Rn. 24; Spannowsky, ZfBR 2017, 112, 116). Das in § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO geregelte Einsichtsrecht in die Niederschriften öffentlicher Gemeinderatssitzungen erfüllt diese Voraussetzungen.
1. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO ist als Parlamentsgesetz eine Rechtsnorm mit Außenwirkung, die im Hinblick auf den Gemeinderat als Organ der kommunalen Gebietskörperschaft - informationspflichtige Stelle i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 LIFG (vgl. Sicko, in: Debus, Informationszugangsrecht BW, 2017, § 2 LIFG, Rn. 30) - und den Gegenstand des Informationsbegehrens - Sitzungsniederschriften als "amtliche Informationen" i.S.d. §§ 1 Abs. 2, 3 Nr. 2 LIFG - grundsätzlich abstrakt identisch mit § 1 Abs. 2 LIFG ist. Die Sperrwirkung nach § 1 Abs. 3 LIFG setzt nicht voraus, dass der Kreis der jeweiligen Berechtigten identisch ist (Sicko, in: Debus, Informationszugangsrecht BW, 2017, § 1 LIFG, Rn. 26). Denn § 1 Abs. 3 LIFG stellt allein auf den sachlichen Regelungsgegenstand ab (vgl. zu § 1 Abs. 3 IFG VG Hamburg, Urteil vom 23.04.2009 - 19 K 4199/07 -, juris Rn. 40; Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, § 1 Rn. 298). Es ist daher unerheblich, dass der Kreis der Berechtigten nach § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO - "Einwohner" i.S.d. § 10 Abs. 1 GemO - und "Antragsberechtigte" nach § 3 Nr. 1 LIFG nicht deckungsgleich sind.
2. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO trifft darüber hinaus eine abschließende Regelung über den Zugang zu amtlichen Informationen in Gestalt von Niederschriften der Gemeinderatssitzungen.
Konkurrenzfragen nach § 1 Abs. 3 LIFG sind in jedem konkreten Einzelfall durch eine systematische, am Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären. Um die Bestimmung des Verhältnisses verschiedener Informationszugangsrechte untereinander vornehmen zu können, müssen vor allem deren jeweilige Regelungsmaterien berücksichtigt werden. Eine andere Informationszugangsregelung trifft nur dann eine abschließende, den Anspruch aus § 1 Abs. 2 LIFG ausschließende Regelung, wenn die jeweiligen Rechte die gleichen Anliegen verfolgen und/oder identische Zielgruppen erfassen. Eine besondere Rechtsvorschrift i.S.v. § 1 Abs. 3 LIFG liegt daher nur dann vor, wenn ihr Anwendungsbereich in sachlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Informationen, die der Rechtsvorschrift unterfallen, und/oder in persönlicher Hinsicht wegen spezifischer Anforderungen an die Personen, auf welche die Rechtsvorschrift Anwendung findet, beschränkt ist (OVG NRW, Urteil vom 02.06.2015 - 15 A 1997/12 -, juris Rn. 58 zu § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW; vgl. zu § 1 Abs. 3 IFG auch VG Hamburg, Urteil vom 23.04.2009 - 19 K 4199/07 -, juris Rn. 40). Das ist anzunehmen, wenn ein umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwiderlaufen würde (OVG NRW, Beschluss vom 28.07.2008 - 8 A 1548/07 -, juris Rn. 1 und Beschluss vom 31.01.2005 - 21 E 1487/04 -, NWVBl. 2006, 296). Eine bloße Modifizierung oder Ergänzung reicht nicht aus, um die Sperrwirkung nach § 1 Abs. 3 LIFG zu begründen (so etwa für das Verhältnis zu § 3 Abs. 1 UIG Spannowsky, ZfBR 2017, 112, 116; a.A. VG Stuttgart, Urteil vom 27.10.2016 - 14 K 4920/16 -, juris Rn. 37 unter Verweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 8 zum Umweltinformationsgesetz des Bundes, vgl. auch LT-Drs. 15/7720, S. 58).
Hieran gemessen trifft § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO mit dem Recht der Einwohner auf Einsichtnahme in Niederschriften öffentlicher Gemeinderatssitzungen eine abschließende, dem § 1 Abs. 2 LIFG vorgehende Regelung. Im Einzelnen:
a) Nach Sinn und Zweck des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO trifft dieser eine Regelung, die den Zielen des § 1 Abs. 2 LIFG entspricht.
Das Recht des Einwohners auf Einsichtnahme in Niederschriften der öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats dient als Ausfluss des im Kommunalrecht vorherrschenden Öffentlichkeitsgrundsatzes dazu, dass der einzelne Einwohner sich ein Bild der Verhandlungsabläufe machen kann (Gern/Brünung, Deutsches Kommunalrecht, 4. Auflage 2019, Rn. 614). Hierdurch soll das Interesse der Teilhabe der Bürgerschaft an der demokratischen Meinungs- und Willensbildung als Grundlage eines funktionierenden demokratischen Staatswesens geweckt und die Möglichkeit einer öffentlichen Kontrolle der Arbeit des Gemeinderats gewährleistet werden (VG Karlsruhe, Urteil vom 19.10.2012 - 5 K 1969/12 -, juris Rn. 49; VG Sigmaringen, Urteil vom 28.02.2014 - 2 K 3104/12 -, juris Rn. 33; Engel/Heilshorn, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 10. Auflage 2015, § 14 Rn. 144; allg. zum Öffentlichkeitsgrundsatz Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, Stand: Dezember 2017, § 34 Rn. 9).
Mit der Einführung des Landesinformationsfreiheitsgesetzes hat der Landesgesetzgeber das Ziel verfolgt, den Bürgern gegenüber der Verwaltung einen voraussetzungslosen Informationsanspruch einzuräumen, um den Interessen einer modernen Informationsgesellschaft gerecht zu werden, und die Voraussetzung für eine "Partizipation der Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungen" zu schaffen (LT-Drs. 15/7720, 13; Sicko, in: Debus, Informationszugangsrecht BW, 2017, § 1 LIFG, Rn. 5).
b) Die Deckungsgleichheit der Zielrichtungen des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO und des § 1 Abs. 2 LIFG hat den Gesetzgeber auch dazu veranlasst, die kommunalrechtlichen Regelungen über die Einsichtnahme in Niederschriften öffentlicher Gemeinderatssitzungen als beispielhafte vorrangige, abschließende Regelungen aufzuführen. So lautet die Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 LIFG:
"Zu Absatz 3
Absatz 3 regelt das Verhältnis zu Informationszugangsregeln in anderen Rechtsvorschriften. Dieses Gesetz verdrängt spezialgesetzliche Informationszugangsregelungen einschließlich der damit zusammenhängenden Vorschriften zu Modalitäten, Gebühren und Auslagen nicht. Auch von informationspflichtigen Stellen (insbesondere Kommunen) erlassene, weitergehende Regelungen bleiben unberührt.
Der Anspruch nach diesem Gesetz tritt zurück, soweit besondere Rechtsvorschriften den Zugang zu amtlichen Informationen abschließend regeln. Abschließende, speziellere Regelungen existieren beispielsweise für Umweltinformationen, Geodaten, öffentliche Sitzungen kommunaler Gremien und Archivgut sowie Statistiken und Evaluationen im Schulbereich. Ob und inwieweit eine andere Regelung abschließend ist, ist eine Frage des Einzelfalles" (LT-Drs. 15/7720, S. 58).
c) Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, dass § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO bezüglich Niederschriften nichtöffentlicher Gemeinderatssitzungen keine vorrangige, abschließende Regelung treffe, soweit der Schutz des Beratungsablaufs und des Prozesses der Willensbildung dies nicht gebiete, was etwa bei den Beratungsunterlagen und -grundlagen und jenen Niederschriften der Fall sein könne, die den Gang der Beratung und des Willensbildungsprozesses nicht widerspiegelten (Sicko, in: Debus, Informationszugangsrecht BW, 2017, § 1 LIFG, Rn. 35), folgt die Kammer dem nicht. Das historische Argument, die Regelung des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO sei bereits vor dem Landesinformationsfreiheitsgesetz in Kraft getreten, sichere lediglich einen Mindeststandard und könne deshalb den weiteren Anspruch des § 1 Abs. 2 LIFG nicht ausschließen (so Sicko, in: Debus, Informationszugangsrecht BW, 2017, § 1 LIFG, Rn. 35) überzeugt nicht. Der Gesetzgeber hat die Subsidiaritätsregelung des § 1 Abs. 3 LIFG getroffen, um - ausweislich der Gesetzesbegründung - auch bereits bei Inkrafttreten des Landesinformationsfreiheitsgesetzes geltenden Sonderregelungen den Vorrang einzuräumen (vgl. LT-Drs. 15/7720, S. 58). Ferner ist die Differenzierung weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung angelegt. Sie ist auch - soweit es um die Niederschrift i.S.d. § 38 Abs. 1 GemO geht - nicht praktikabel. Denn sie lässt außer Acht, was eine Niederschrift i.S.d. § 38 Abs. 1 GemO zu umfassen hat. Hiernach ist über "den wesentlichen Inhalt der Verhandlungen des Gemeinderats" eine Niederschrift zu fertigen, die unter anderem "die Gegenstände der Verhandlung, die Anträge, die Abstimmungs- und Wahlergebnisse" enthalten muss. Ferner können der Vorsitzende und jedes Mitglied verlangen, dass ihre Erklärung oder Abstimmung in der Niederschrift festgehalten wird, § 38 Abs. 1 Satz 2 GemO. Wird dies verlangt, so müssen die jeweiligen Erklärungen oder Abstimmungen aufgenommen werden (Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, Stand: Dezember 2017, § 38 Rn. 3).
Ob jenseits des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO ein Anspruch auf Einsicht in die der Beratung vorgelagerten Unterlagen aus § 1 Abs. 2 LIFG besteht (so wohl Sicko, in: Debus, Informationszugangsrecht BW, 2017, § 1 LIFG, Rn. 35 unter Berufung auf OVG NRW, Urteil vom 17.05.2006 - 8 A 1642/05 -, juris Rn. 62; zustimmend Beyerbach, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 23. Edition, Stand. 01.02.2019, § 1 LIFG, Rn. 12), kann dahinstehen, weil der Kläger Einsichtnahme in die Niederschrift an sich begehrt.
d) Stellt § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO eine abschließende Regelung für die Einsichtnahme in Niederschriften öffentlicher Sitzungen dar, folgt hieraus im Umkehrschluss, dass § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO eine Einsichtnahme in Niederschriften nichtöffentlicher Ratssitzungen für Einwohner abschließend ausschließt. Ließe man daneben einen Anspruch nach § 1 Abs. 2 LIFG auf Einsicht in Niederschriften nichtöffentlicher Gemeinderatssitzungen zugunsten der nach § 3 Nr. 1 LIFG Anspruchsberechtigten zu, würde der Schutzzweck des Ausschlusses der Öffentlichkeit von einer Gemeinderatssitzung ausgehöhlt (Troidl, Akteneinsicht im Verwaltungsrecht, 2013, Rn. 622). Darüber hinaus wäre es wertungswidersprüchlich, wenn allein Einwohnern ein Anspruch auf Zugang zu den Niederschriften öffentlicher Gemeinderatssitzungen zustünde, aber aus § 1 Abs. 2 LIFG "Jedermann" in den Grenzen der §§ 4 ff. LIFG Einsicht in Niederschriften nichtöffentlicher Gemeinderatssitzungen beanspruchen könnte.
e) Der abschließende Charakter des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO folgt zudem aus den bereits erörterten kommunalverfassungsrechtlichen Zuständigkeits-, Verfahrens- und Fristenregelungen im Hinblick auf die Entscheidung, ob nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO die Öffentlichkeit von einer Gemeinderatssitzung auszuschließen ist (§§ 35 Abs. 1 Satz 3, 43 Abs. 2 GemO, vgl. hierzu schon oben). Eine Anspruchskonkurrenz würde die Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen der Kommunalverfassung zugunsten des Bürgermeisters und zu Lasten des Gemeinderats und der Rechtsaufsicht aushöhlen.
Über einen Antrag nach § 1 Abs. 2 LIFG hätte der Bürgermeister als Vorsitzender des Gemeinderats (§ 42 Abs. 1 Satz 1 GemO), Leiter der Gemeindeverwaltung (§ 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GemO) und gesetzlicher Vertreter der Gemeinde (§ 42 Abs. 1 Satz 2 GemO) selbst zu entscheiden (so auch Sicko, in: Debus, Informationszugangsrecht BW, 2017, § 2 LIFG, Rn. 30). Käme er, entgegen des Beschlusses des Gemeinderats über die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen der §§ 4 ff. LIFG, insbesondere der §§ 4 Abs. 1 Nr. 6, 5 Abs. 2, 6 LIFG, nicht vorlägen, könnte er in seiner Eigenschaft als Leiter der Gemeindeverwaltung und gesetzlicher Vertreter der Gemeinde Einsicht in die nichtöffentliche Niederschrift gewähren. Demgegenüber sieht § 43 Abs. 2 GemO vor, dass der Bürgermeister im Falle des Konflikts mit dem Gemeinderat über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO einem Beschluss, den er wegen des Verstoßes gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO für gesetzwidrig hält, widersprechen und gegebenenfalls die Entscheidung der Rechtsaufsicht herbeiführen muss (§ 43 Abs. 2 Satz 5 GemO).
3. Ist ein Anspruch des Klägers aus § 1 Abs. 2 LIFG nach § 1 Abs. 3 LIFG wegen der vorrangigen, abschließenden Regelung des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO ausgeschlossen, kommt es nicht darauf an, ob in der nichtöffentlichen Sitzung ausschließlich Rechte und Belange der inzwischen insolventen L. F. GmbH betroffen sind und diese mit einer Informationsgewährung einverstanden (§§ 4, 8 LIFG) ist.
D.
Es kann dahinstehen, ob der im Schriftsatz des Klägers vom 28.12.2018 gestellte unbedingte Beweisantrag schon deshalb unbeachtlich ist, weil er seiner Formulierung nach nicht auf den Beweis einer Tatsache gerichtet ist, sondern rechtliche Schlussfolgerungen miteinbezieht, die dem Beweis nicht zugänglich sind.
Der Beweisantrag ist jedenfalls deshalb abzulehnen, weil er hinsichtlich des Inhalts der Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung vom 01.12.2016 auf den Beweis von Tatsachen gerichtet ist, die nach den obigen Ausführungen zu § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO rechtlich nicht erheblich sind (vgl. zu diesem Ablehnungsgrund Dawin, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 25. EL, September 2018, § 86 Rn. 49 f., 119). Denn bei der Prüfung des Anspruchs nach § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO ist - wie ausgeführt - nicht darüber zu entscheiden, ob eine nichtöffentlich abgehaltene Sitzung unter Verstoß gegen § 35 Abs. 1 GemO stattgefunden hat. Ferner ist der Anspruch aus § 1 Abs. 2 LIFG wegen § 1 Abs. 3 LIFG i. V. m. § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO gesperrt, so dass der Inhalt der Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung vom 01.012.2016 für die Frage des Ausschlusses des Anspruchs nach §§ 4 ff. LIFG nicht rechtserheblich ist.
E.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Berufung ist nach §§ 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Frage der Anspruchsvoraussetzungen des § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO im Hinblick auf die Voraussetzungen der "öffentlichen Sitzung" sowie die Frage des Verhältnisses von § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO zu § 1 Abs. 2 und 3 LIFG obergerichtlich bislang nicht geklärt ist.
Hinweise:
Rechtskraft: Nein