-- WEBONDISK OK --

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.08.2020 Az. 4 S 1473/20

Wird die Entlassung eines Widerrufsbeamten auf die fehlende charakterliche Eignung wegen Postings auf einem Instagram-Account gestützt, setzt der Rückschluss auf die innere Einstellung des Beamten eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls voraus; anders als bei Tätowierungen kommt es bei der Würdigung der Postings nicht vorrangig auf deren Wirkung auf Andere an.
Entlassung; Beamter auf Widerruf; Charakterliche Eignung; Beurteilungsmaßstab; Postings; Instagram-Account; Tätowierung
BeamtStG § 23 Abs. 4 S. 1
VG Freiburg 07.04.2020 3 K 4601/19
In der Verwaltungsrechtssache
- Antragsteller -
- Beschwerdeführer -
prozessbevollmächtigt:
gegen
Land Baden-Württemberg,
vertreten durch die Hochschule für Polizei Baden-Württemberg
- Referat Recht und Datenschutz -, Sturmbühlstraße 250,
78054 Villingen-Schwenningen, Az:
- Antragsgegner -
- Beschwerdegegner -
wegen Entlassung;
hier: Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz
hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
am 4. August 2020 beschlossen:

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 7. April 2020 - 3 K 4601/19 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Entlassungsverfügung des Antragsgegners vom 23. Oktober 2019 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.728,67 Euro festgesetzt.

Gründe

Die rechtzeitig eingelegte (§ 147 Abs. 1 VwGO) und fristgerecht begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Beschwerde hat Erfolg. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, aus denen der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 07.04.2020 abzuändern sein soll und auf deren Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO insoweit zu beschränken hat, ergeben, dass das Verwaltungsgericht den Antrag zu Unrecht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23.10.2019, mit dem die Entlassung des Antragstellers ausgesprochen und für sofort vollziehbar erklärt wurde, wiederherzustellen.
I. Der 1996 geborene Antragsteller stand seit September 2018 als Polizeimeisteranwärter im Dienst des Antragsgegners und absolvierte seine Ausbildung bei der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg (im Folgenden: Hochschule). Mit Verfügung vom 23.10.2019 entließ der Präsident der Hochschule den Antragsteller wegen Zweifel an dessen charakterlicher Eignung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Ablauf des 31.12.2019 und ordnete die sofortige Vollziehung der Entscheidung an. Zur Begründung führte er im Wesentlichen wie folgt aus: Aus verschiedenen Veröffentlichungen des Antragstellers auf seinem privaten, aber öffentlich einsehbaren Instagram-Account im Frühjahr 2019 sowie aus einem nach § 47 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 2 JGG eingestellten Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung aus dem Jahr 2012 gehe hervor, dass berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers bestünden. Die sofortige Entlassung sei aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses erforderlich, weil es dem Dienstherrn nicht zumutbar sei, einen für den Polizeiberuf charakterlich ungeeigneten Beamten über den in § 31 Abs. 4 LBG genannten Zeitraum hinaus zu beschäftigen.
Hiergegen legte der Antragsteller unter dem 20.11.2019 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde, und suchte an demselben Tag um gerichtlichen Eilrechtschutz nach, den das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 07.04.2020 ablehnte. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Prognose des Antragsgegners, dass der Antragsteller für eine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit nicht die erforderliche charakterliche Eignung ausweisen werde und somit ein sachlicher Grund für dessen Entlassung bestehe, erweise sich im Rahmen der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung als rechtsfehlerfrei; dem Antragsteller sei ein mehrfaches Fehlverhalten vorzuwerfen. Allerdings erweise sich die Berücksichtigung der Erkenntnisse über das wegen einer gefährlichen Körperverletzung geführte Strafverfahren als rechtsfehlerhaft. Dieser Fehler führe aber nicht dazu, dass die Entlassungsverfügung insgesamt rechtswidrig sei. Die Annahme des Antragsgegners, dass das Posten der Musikstücke "Pam Pam" des Künstlers "Azet" sowie "Interpellation" des Künstlers "Sefyu" mit den Anforderungen an die charakterliche Eignung eines Polizeivollzugsbeamten nicht in Einklang zu bringen sei, erscheine zwar streng, aber vertretbar.
Hiergegen richtet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verfahrensakte, insbesondere auf die Darstellungen im angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts, auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Personalakte des Antragstellers und die Strafverfahrensakten Bezug genommen, die dem Senat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben.
II. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers ist antragsgemäß gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO wiederherzustellen. Die im Rahmen des Entlassungsverfahrens gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG vom Antragsgegner vorgenommene Beurteilung, dem Antragsteller fehle die erforderliche charakterliche Eignung, ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung anhand des Beschwerdevorbringens aus Sicht des Senats nicht hinreichend haltbar, so dass sich die Entlassungsverfügung voraussichtlich als rechtswidrig erweist und das Interesse des Antragstellers, vorläufig von den Vollzugsfolgen verschont zu bleiben, als überwiegend anzusehen ist.
Die Beurteilung der charakterlichen Eignung ist ein Akt wertender Erkenntnis. Der dem Dienstherrn bei der Ausfüllung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der charakterlichen Eignung eingeräumte Beurteilungsspielraum führt dazu, dass die hierauf beruhende Entscheidung gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann und zwar darauf, ob der gesetzliche Begriff der persönlichen Eignung oder die gesetzlichen Grenzen der Beurteilungsermächtigung verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt worden sind (vgl. Senatsbeschluss vom 30.09.2019 - 4 S 2577/19 -, Juris Rn. 6).
Bei der charakterlichen Nichteignung geht es um innere Tatsachen, deren Feststellung naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden ist. Wie eine Beamtin bzw. ein Beamter auf Anfechtungen, Belastungen, Herausforderungen und Versuchungen voraussichtlich reagieren wird, lässt sich selten genug mit Gewissheit vorhersagen, sodass es zumeist darauf ankommen wird, ob und mit welcher Überzeugungskraft äußere Tatsachen den Schluss auf negative innere Tatsachen zulassen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.07.2019 - OVG 4 S 20.19 -, Juris Rn. 10 f.).
Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Entlassungsverfügung nach summarischer Prüfung als rechtswidrig. Denn der Eignungsbeurteilung liegt zum maßgebenden Zeitpunkt - weil ein Widerspruchsbescheid noch nicht ergangen ist - der hiesigen gerichtlichen Entscheidung ein in mehrfacher Hinsicht unrichtiger Sachverhalt zugrunde (hierzu unter 1.). Auch sind vom Antragsgegner - ausgehend von einem fehlerhaften Maßstab (hierzu unter 2.) - nicht alle relevanten Umstände ermittelt und beurteilungsfehlerfrei berücksichtigt worden (hierzu unter 3.).
1. Der Entlassungsverfügung liegt ein in mehrfacher Hinsicht nicht verwertbarer bzw. unrichtiger Sachverhalt zugrunde, den der Antragsgegner während des gerichtlichen Verfahrens auch nicht richtigzustellen vermochte. Hierzu im Einzelnen:
Unrichtig ist der Sachverhalt, soweit der Kommentar des PMA S. "und ich dachte Steroidkonsum wäre in Deutschland illegal" sowie die diesbezügliche Antwort des Antragstellers "pssshhht" in der Entlassungsverfügung fälschlicherweise unter das Bild mit dem weißen Pulver in einem auf einem Plastikbecher liegenden Messlöffel verortet wurde. Tatsächlich äußerten sich der Antragsteller und PMA S. wie zitiert unter einem Bild, das den Antragsteller oberkörperfrei vor einem Spiegel zeigt. Damit erweist sich der in der Entlassungsverfügung dargestellte Aussagegehalt sowohl hinsichtlich des Bildes mit dem weißen Pulver als auch im Hinblick auf die zitierte Chatunterhaltung als unrichtig. Die offensichtlich nicht ernst gemeinte Bekundung des PMA S. kann nur als Anerkennung im Hinblick auf das Aussehen des Antragstellers und dessen Trainingserfolg verstanden werden. Die Antwort des Antragstellers stellt vor diesem Hintergrund keine Bagatellisierung von Drogenkonsum dar.
Unrichtig ist auch der im Bescheid zugrunde gelegte Aussagegehalt des Fotos mit dem weißen Pulver: Unter Zugrundelegung des seitens des Antragstellers geschilderten und im Vermerk des KHK P. (Kriminalinspektion 6) vom 05.06.2019 bestätigten Sachverhalts war das beanstandete Bild Teil einer sog. "Story" über das Training des Antragstellers in Fitnessstudios in O. und K., die mit "Kraftsport" betitelt war und neben weiteren - hier nicht bekannten - Bildern zuletzt auch das Bild mit dem weißen Pulver enthielt. In diesem Zusammenhang ist die Deutung eines Drogenkonsums fernliegend, vielmehr drängt sich die Zubereitung eines Eiweißshakes auf.
Vor dem Hintergrund des teilweise unrichtigen Sachverhalts kann der Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt werden, wonach der Antragsgegner seine Entlassungsverfügung auf die (verbleibenden) Aktivitäten des Antragstellers auf seinem Instagram-Account, das Posten zweier Musikstücke, beurteilungsfehlerfrei stützen konnte: In der Entlassungsverfügung nahm der Antragsgegner die Eignungsbeurteilung unter Bezugnahme auf den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten sog. Summeneffekt (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.1980 - BVerwG 2 C 5.78 -, Juris Rn. 20) vor und begründete seine Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers insbesondere mit der Vielzahl der Verstöße gegen die Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG. Der angegriffenen Entlassungsverfügung kann jedoch nicht entnommen werden, dass der Antragsgegner die Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers auch dann für begründet erachtet hätte, wenn er nur einen Teil der ursprünglich vorgeworfenen Vorkommnisse (Summanden) hätte berücksichtigen können.
Auch kann der Begründung des angegriffenen Bescheids nicht entnommen werden, dass die Entlassungsentscheidung auch dann getroffenen worden wäre, wenn das Strafverfahren wie vom Verwaltungsgericht entschieden in die Erwägungen nicht eingeflossen wäre. Vielmehr wird die Entscheidungsrelevanz des Strafverfahrens anhand folgender Ausführungen im angegriffenen Bescheid deutlich: "Ausgehend von einer Verwertbarkeit des Vorfalls aus dem Jahr 2012 zeigt dieser im Hinblick auf ihre heutige Entwicklung gerade auf, dass Sie sich nicht von Aggression und Gewalt abgekehrt haben, es sich 2012 nicht ,nur' um eine jugendliche vorübergehende Delinquenz handelte, sondern Sie weiterhin Gewaltanwendung als probates Mittel der Streitschlichtung ansehen. Während zum Zeitpunkt der Einstellung noch davon ausgegangen wurde, dass Sie sich auf dem Pfad der Tugend befinden, zeigt sich heute beispielsweise mit der Verlinkung des Instagram-Bildes (weißes Pulver) mit dem deutschsprachigen Song ,Pam Pam' von Azet (...), dass das Thema Gewalt, die Gossensprache sie geradezu fasziniert und sich das Thema wie ein roter Faden durch Ihre Vita zieht."
Das Vorbringen des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren führt zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis. Der Antragsgegner kann nicht mit Erfolg an der Entlassungsverfügung, im Wesentlichen gestützt auf die Verlinkungen der Postings mit den Musikstücken "Pam Pam" und "Interpellation", quasi im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion festhalten. Das Vorbringen des Antragsgegners beschränkt sich auf die Feststellung, dass auch die übrigen Erkenntnisse eine Entlassung rechtfertigten. Dies genügt nicht den Anforderungen an eine wirksame Ergänzung der behördlichen Erwägungen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens. Es hätte insoweit einer nachvollziehbaren, im angegriffenen Bescheid angelegten Begründung des Antragsgegners bedurft, ob und warum die verbleibenden Vorkommnisse die Entlassungsverfügung ebenfalls stützen. Daran fehlt es vorliegend. Die oben genannte Feststellung des Antragsgegners beinhaltet vor dem Hintergrund der Ausführungen im Bescheid insbesondere keine nachvollziehbare Begründung dafür, dass in den verbleibenden Vorkommnissen gerade der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt, auf den die Entlassung gestützt werden könnte. Das neue, kleinere Bündel an vorwerfbaren Vorkommnissen kann daher aufgrund der damit einhergehenden wesentlichen Änderungen des Lebenssachverhalts - auch im Hinblick auf die Beteiligungsrechte des Personalrats (vgl. hierzu auch Beschluss des Senats vom 21.09.2007 - 4 S 2131/07 -, Juris m.w.N.) sowie der Chancengleichheitsbeauftragten - im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens ohne nachvollziehbare Begründung nicht als allein tragend zugrunde gelegt werden.
2. Die Eignungsbeurteilung begegnet auch insofern durchgreifenden rechtlichen Bedenken, als der Antragsgegner von einem fehlerhaften Beurteilungsmaßstab ausgegangen ist. Nach Ansicht des Antragsgegners sei einzig und allein darauf abzustellen, wie die Veröffentlichung auf dem Instagram-Account beim Empfänger ankomme und ankommen könne. Weiter in der Begründung des angegriffenen Bescheids wiederholt der Antragsgegner zum einen sinngemäß, dass die Beweggründe des Antragstellers bei den Postings unbeachtlich seien, zum anderen, dass dessen diesbezügliche Einwände irrelevant seien, weil maßgeblich sei, wie sein Instagram-Auftritt auf andere Nutzer wirken könnte.
Dieser Beurteilungsmaßstab erweist sich als rechtsfehlerhaft. Der Antragsgegner hat die Entlassung des Antragstellers mit dessen fehlender charakterlicher Eignung begründet. Zwar genügen nach der Rechtsprechung des Senats bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (so zuletzt Senatsbeschluss vom 19.05.2020 - 4 S 3078/19 - mit Verweis auf Bay. VGH, Beschluss vom 30.08.2019 - 3 ZB 18.508 -, Juris Rn. 7 ff. und OVG Bremen, Beschluss vom 13.07.2018 - 2 B 174/18 -, Juris Rn. 8 f., jeweils m.w.N. und unter Verweis u.a. auf BVerwG, Urteil vom 09.06.1981 - BVerwG 2 C 48.78 -, Juris). Dass die Feststellung innerer Tatsachen regelmäßig mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, bedeutet jedoch nicht, dass Zweifel an der charakterlichen Eignung allein aufgrund der Würdigung des Verhaltens eines Beamten durch Dritte - hier der Postings durch andere Internetnutzer - angenommen werden könnten. Der Rückschluss von den internetbasierten Bekundungen des Antragstellers auf seine innere Einstellung setzt vielmehr eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls voraus. Die Entlassung des Antragstellers kommt daher nur in Betracht, wenn der Inhalt der Veröffentlichungen Ausdruck einer inneren Einstellung ist, die Zweifel an der charakterlichen Eignung begründen. Vorliegend hat der Antragsgegner jedoch die Sicht eines objektiven Dritten für ausschlaggebend erachtet und daher im Hinblick auf die - hier primär relevante - innere Einstellung des Antragstellers beurteilungsrelevante Aspekte fehlerhaft nicht hinreichend berücksichtigt.
Der vom Antragsgegner herangezogene Beurteilungsmaßstab erweist sich auch nicht aufgrund eines Vergleichs zu denjenigen Fällen, die der Rechtsprechung des Senats bezogen auf Tätowierungen zugrunde lagen, als rechtmäßig. Denn das Veröffentlichen bzw. Teilen von Musikstücken in einem sozialen Netzwerk ist mit dem Tragen eines Tattoos nicht hinreichend vergleichbar: Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es bei Tätowierungen grundsätzlich nicht auf das persönliche Motiv bzw. die Phantasie des Trägers an, sondern vor allem auf die Wirkung des Tattoos auf andere. Der Körper wird bei einer Tätowierung bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt; mit dem Tragen einer Tätowierung erfolgt eine nach außen gerichtete und dokumentierte Mitteilung durch deren Träger über sich selbst; ihr kommt im Falle der Tätowierung sogar ein besonderer Stellenwert zu, weil das - wohl reiflich überlegte - Motiv in die Haut eingestochen wird und der Träger sich damit dauerhaft und in besonders intensiver Weise bekennt (vgl. Senatsbeschluss vom 12.07.2018 - 4 S 1439/18 -, Juris Rn. 2).
Diese Erwägungen können nicht auf das Veröffentlichen von Musikstücken bzw. das Verlinken von Postings mit Musikstücken übertragen werden. Die Einschätzung des Antragsgegners, ein Polizeibeamter identifiziere sich mit dem Text von privat geposteten Musikstücken in entsprechender erheblicher Weise, teilt der Senat nicht. Ein Posting kann aufgrund der Flüchtigkeit und Häufigkeit der internetbasierten Kommunikation nicht mit einem regelmäßig dauerhaft getragenen Tattoo verglichen werden. Mit anderen Worten haftet ein Posting nicht in ähnlich enger und charakteristischer Weise an dem Beamten wie ein Tattoo. Es bleibt daher bei dem Maßstab, wonach der Rückschluss von den Aktivitäten des Antragstellers auf seine innere Einstellung eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - somit auch seiner Motive, seines Verhaltens nach den vorgeworfenen Vorkommnissen (Nachtatverhalten) und hier insbesondere auch seiner Fremdsprachkenntnisse - voraussetzt.
3. Ausgehend von seinem unzutreffenden Prüfungsmaßstab hat der Antragsgegner die objektiven, indiziell wirkenden Tatsachen - die Veröffentlichungen auf dem Instagram-Account des Antragstellers - jedenfalls teilweise rechtsfehlerhaft bewertet und die weiteren Umstände zu wenig in den Blick genommen, die für die abschließende Beurteilung der charakterlichen Eignung des Antragstellers Relevanz haben. So begründet der privat nach außen bekundete Musikgeschmack - sei es durch Postings von keinen strafrechtlichen Bedenken begegnenden Musikstücken oder etwa durch den Besuch von Konzerten - ohne Hinzutreten weiterer Umstände in der Regel keine Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Polizeimeisteranwärters.
Dies mag anders zu beurteilen sein, wenn ein hinreichend konkreter Dienstbezug feststellbar ist. So liegt der Fall hier aber nicht. Die einzige Veröffentlichung, die nach dem unstreitigen Vortrag der Beteiligten einen Dienstbezug aufwies, ist das von PMA F. veröffentlichte Bild, welches den Antragsteller mit vier weiteren Kollegen in einem Kraftraum oberkörperfrei zeigt und in der linken oberen Ecke den Hashtag "Hochschule der Polizei" enthält. Nach dem erstmals im Beschwerdeverfahren präzisierten Vortrag des Antragstellers sei die Markierung seiner Person in dem beschriebenen Bild für ihn jedoch lediglich 24 Stunden erkennbar gewesen und habe sich die spätere, über mehrere Wochen sichtbare Veröffentlichung des Bildes durch PMA F. als "Highlight" seiner Kenntnis entzogen. Den Hashtag "Hochschule der Polizei" habe PMA F. erst bei der späteren Veröffentlichung ohne Zutun des Antragstellers eingefügt. Diesen Vortrag - dem der Antragsgegner nicht weiter entgegengetreten ist - zugrunde gelegt, hat der Antragsteller die weiteren, hier allein noch entscheidungserheblichen Veröffentlichungen getätigt, ohne dass er von einem herstellbaren Dienstbezug ausgehen musste. Gegenteiliges ist auch sonst nicht ersichtlich.
Auch der Annahme des Antragsgegners, bei der Verlinkung mit dem Lied "Pam Pam" handele sich um eine virtuelle Verbrüderung mit dem rechtskräftig wegen Drogenhandels verurteilten Azet, kann nicht gefolgt werden. Ein solcher Aussagegehalt kann den internetbasieren Äußerungen des Antragstellers nicht entnommen werden. Denn die Verlinkung eines Postings mit Musik hat nicht den Erklärungsgehalt, dass sich der Äußernde mit der Biografie des Musikers auseinandergesetzt hat und früheres kriminelles Verhalten des Interpreten gutheißt. Auch kann insbesondere bei fremdsprachigen Liedtexten nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, der Veröffentlichende mache sich den Text des Musikstücks vollumfänglich zu eigen. Vielmehr bringt die Verlinkung eines Musikstücks lediglich zum Ausdruck, dass der Veröffentlichende das Musikstück situationsabhängig oder entsprechend seinem Musikgeschmack hört. Ein vollständiges Zueigenmachen inhaltlicher Aussagen des Interpreten ist hiermit gerade nicht verbunden. Auch wenn es entscheidungserheblich nicht mehr darauf ankommt, ist anzumerken, dass nach den erstinstanzlichen Feststellungen die streitbefangenen Musikstücke derart verlinkt wurden, dass beim Anklicken jeweils nur der Refrain abgespielt wurde. Es erscheint daher zweifelhaft, ob die weiteren (nicht veröffentlichten) Textpassagen - auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Antragsgegners - dem Antragsteller überhaupt zum Vorwurf gemacht werden können.
Nicht ausreichend in den Blick genommen hat der Antragsgegner zudem die weiteren Umstände, die gegen die Annahme sprechen, dass die Bekundungen des Antragstellers auf seinem Instagram-Account Ausdruck einer gewaltverherrlichenden, die Polizei diffamierenden Einstellung sind. Insoweit wären jedenfalls die Beweggründe des Antragstellers einzubeziehen gewesen, der angibt, die verlinkte Musik (alterstypisch) aufgrund ihres Rhythmus zur Motivation für seine Trainingseinheiten zu hören, kein Französisch und nur begrenzt Englisch zu verstehen und sich mit den Liedtexten nicht näher auseinandergesetzt zu haben.
Der Vortrag des Antragsgegners, der Antragsteller sei durch den bereits erfolgten Unterricht zum Umgang mit sozialen Medien hinreichend sensibilisiert worden, vermag die insoweit nachvollziehbaren Angaben des Antragstellers nicht zu erschüttern. Die aus den Verwaltungsvorgängen erkennbaren Unterrichtsfolien sind allgemein gehalten und für sich genommen nicht als ausreichend anzusehen, um von einem Handeln wider besseren Wissen seitens des Antragstellers ausgehen zu können. Auch die Tatsache, dass es wohl weitere Fälle gab, in denen der Umgang von Polizeimeisteranwärtern mit sozialen Medien als anstößig empfunden wurde, spricht gegen die oben genannte Annahme des Antragsgegners. Vielmehr erscheint es schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erforderlich, dem Antragsteller die für ihn neuen Erwartungen an das Auftreten von Polizeibeamten zunächst ermahnend und erläuternd deutlich zu machen.
Der Vortrag des Antragsgegners, der Antragsteller sei durch den bereits erfolgten Unterricht zum Umgang mit sozialen Medien hinreichend sensibilisiert worden, vermag die insoweit nachvollziehbaren Angaben des Antragstellers nicht zu erschüttern. Die aus den Verwaltungsvorgängen erkennbaren Unterrichtsfolien sind allgemein gehalten und für sich genommen nicht als ausreichend anzusehen, um von einem Handeln wider besseren Wissen seitens des Antragstellers ausgehen zu können. Auch die Tatsache, dass es wohl weitere Fälle gab, in denen der Umgang von Polizeimeisteranwärtern mit sozialen Medien als anstößig empfunden wurde, spricht gegen die oben genannte Annahme des Antragsgegners. Vielmehr erscheint es schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erforderlich, dem Antragsteller die für ihn neuen Erwartungen an das Auftreten von Polizeibeamten zunächst ermahnend und erläuternd deutlich zu machen.
Fehlerhaft unterblieben ist auch die Berücksichtigung des Verhaltens des Antragstellers, nachdem er mit den vorgeworfenen Handlungen konfrontiert worden war. Insoweit bedarf es einer Würdigung seines als kooperativ und einsichtig zu bezeichnenden Verhaltens im Rahmen des Dienstgesprächs. Auch sind die Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens zur Entkräftigung des Vorwurfs der Gewaltverherrlichung ebenso wie das freiwillige Angebot, sich einem Drogentest zu unterziehen, als konstruktive Beiträge zur Sachverhaltserforschung zu bewerten.
4. Der erst nach Beratung des Senats eingegangene Schriftsatz des Antragstellers vom 04.08.2020 veranlasst keine abweichende Entscheidung. Er enthält keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen, die zu Gunsten des Antragsgegners hätten berücksichtigt werden können.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG und entspricht der des Verwaltungsgerichts.
6. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).