Eine Festsetzung von Teilzeitbeschäftigung und -besoldung nach Ende der Elternzeit während der Sommerferien ohne Antrag und gegen den Willen der Lehrkraft ist unzulässig.
Lehrkraft; Teilzeit; Elternzeit; Besoldung; Sommerferien
LBG § 69 Abs. 2 , LBesGBW § 69 Abs. 1 Nr. 1 , AzUVO § 42
VG Freiburg 20.07.2020 5 K 2399/19
In der Verwaltungsrechtssache
- Klägerin -
- Antragsgegnerin -
prozessbevollmächtigt:
gegen
Land Baden-Württemberg,
vertreten durch das Regierungspräsidium Freiburg
- Abteilung Schule und Bildung -,
Eisenbahnstraße 68, 79098 Freiburg,
Az:
- Beklagter -
- Antragsteller -
wegen "Zwangsteilzeit";
hier: Antrag auf Zulassung der Berufung
hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
am 25. September 2020 beschlossen:
Tenor
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20. Juli 2020 - 5 K 2399/19 - wird abgelehnt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.263,73 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des beklagten Landes auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus den in der fristgemäßen Antragsbegründung genannten und somit nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO maßgeblichen Gründen ist die Berufung nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zuzulassen; auch ist keine Divergenz gegeben.
1. Mit der Zulassungsbegründung werden ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht hervorgerufen.
Eine Zulassung hiernach setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (BVerfG, Beschlüsse vom 16.07.2013 - 1 BvR 3057/11 -, BVerfGE 134, 106 [118] und vom 08.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104 [140]). Das kann regelmäßig nur dadurch erfolgen, dass sich die Antragsbegründung konkret mit der angegriffenen Entscheidung inhaltlich auseinandersetzt und aufzeigt, was im Einzelnen und warum dies als fehlerhaft erachtet wird (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 09.11.2004 - 11 S 2771/03 -, Juris Rn. 2). Wird ein Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund dargelegt wird und auch vorliegt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 09.03.2010 - 3 S 1537/08 -, Juris Rn. 3).
Ernstliche Richtigkeitszweifel in diesem Sinne ergeben sich aus der Zulassungsbegründung nicht. Der Vortrag des Beklagten, Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei die Frage gewesen, ob der Klägerin, einer verbeamteten Realschullehrerin, nach dem Ende ihrer einjährigen Elternzeit "für den streitbefangenen Zeitraum 20.07.2018 bis 09.09.2018 ein Anspruch auf Vollzeitbeschäftigung zustand oder lediglich ein Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung entsprechend dem nach den Sommerferien ab dem 10.09.2018 bis 10.09.2019 bewilligten Beschäftigungsumfang von neun von 27 Unterrichtsstunden", trifft so nicht zu. Wie das Verwaltungsgericht vollumfänglich überzeugend ausgeführt hat, war Gegenstand des Verfahrens vielmehr die Frage, ob das Regierungspräsidium zu Lasten (des Einkommens) der Klägerin - ohne einen entsprechenden Antrag von ihr - im streitbefangenen Zeitraum eine ("Zwangs"-)Teilzeitbeschäftigung festsetzen durfte. Das Verwaltungsgericht hat diese Frage zutreffend verneint, weil die Gesetzeslage klar und eindeutig ist. Gemäß § 69 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 LBG darf das Regierungspräsidium eine unterhälftige Teilzeitbeschäftigung ausdrücklich nur Beamtinnen und Beamten, die ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreuen oder pflegen, "auf Antrag bewilligen, wenn zwingende dienstliche Belange nicht entgegenstehen". Ohne Antrag, d.h. ohne oder sogar - wie im vorliegenden Fall - gegen den (hier ausdrücklichen; s. die E-Mail der Klägerin vom 19.03.2018) entsprechenden Willen der Beamtin ist es dem Regierungspräsidium verwehrt, (auch aus Spargründen) Teilzeitbeschäftigung anzuordnen. Dies entspricht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der amtsangemessenen Beschäftigung und Besoldung des Beamten, der von Vollzeitarbeit ausgeht.
Fehl geht auch die Begründung in den zu Recht vom Verwaltungsgericht aufgehobenen Bescheiden des Regierungspräsidiums vom 28.03.2018 und 13.07.2018, ohne die Teilzeitregelung entstünde ansonsten "ein besoldungsfreier Zeitraum, der nicht im Interesse der Klägerin liegen dürfte". Denn dies verkennt das Wesen der Elternzeit. Bis zur Geburt ihres Kindes am 20.07.2017 war die Klägerin mit 27 von 27 Unterrichtsstunden vollzeitbeschäftigt. Die der Klägerin mit Bescheid des Beklagten vom 28.08.2017 für zwölf Monate, also bis 19.07.2018, 24 Uhr, bewilligte Elternzeit hatte rechtlich zur Folge, dass sie in diesem Zeitraum zu keinem Dienst verpflichtet war und im Gegenzug keine Besoldung beanspruchen konnte. Mit Ende der Elternzeit, also ab 20.07.2018, 0 Uhr, lebte ihr Beamtenverhältnis jedoch automatisch wieder zu den gleichen Bedingungen auf, die vor Beginn der Elternzeit bestanden hatten. Ab 20.07.2018 hatte sie mithin wieder, wie im Übrigen von ihr ausdrücklich gewünscht, Vollzeit Dienst zu tun und zugleich Anspruch auf volle Besoldung. Hierzu bedurfte es keiner erneuten Vollzeitbewilligung durch den Dienstherrn. Damit aber konnte nach Ende der Elternzeit auch kein "besoldungsfreier Zeitraum" entstehen.
Das Regierungspräsidium stützt sein Vorgehen - auf den ersten Blick ohne Gesetzesprüfung durchaus nachvollziehbar - im Wesentlichen auf das Argument des "Rechtsmissbrauchs", weil sich die Klägerin so vor allem die Sommerferien in Vollzeit durchbezahlen lassen konnte. Dieses Argument kann im vorliegenden Fall jedoch nicht durchgreifen, weil es sich der Sache nach gegen den Gesetzgeber wendet, der diesen Spielraum der verbeamteten Lehrer/innen insoweit primär in § 69 LBG (vgl. zudem § 42 Abs. 1 AzUVO, dessen Satz 3 wie auch § 41 Abs. 4 AzUVO illustriert, dass der Gesetzgeber den Schuldienst nicht übersehen hat) klar und eindeutig so geregelt hat, was ihm im Rahmen seiner rechtspolitischen Gestaltungsmacht ohne weiteres zukommt. Als "rechtsmissbräuchlich" hätte allenfalls die Beantragung der Elternzeit bis kurz vor den Sommerferien angesehen werden können, die kraft Gesetzes die Vollzeitbesoldung nach ihrem Ablauf umfasst, also auch in den Sommerferien. Da das Kind der Klägerin jedoch am 20.07.2017 geboren wurde und eine zwölfmonatige Elternzeit "normal" ist, liegt Rechtsmissbrauch insoweit fern. Zudem ist der längst bestandskräftigte Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 28.08.2017 hier nicht Streitgegenstand. Als "rechtsmissbräuchlich" hätte weiter die Beantragung der unterhälftigen Teilzeitbeschäftigung erst nach den Sommerferien ab 10.09.2018 angesehen werden können. Die Neuregelung der Arbeitszeit von Lehrkräften mit Kindern jeweils zum Schuljahresbeginn ist jedoch ebenfalls "normal", sodass auch insoweit die Annahme eines Rechtsmissbrauchs fernliegt. Zudem ist auch die ebenfalls bestandskräftige Bewilligung dieser Teilzeitbeschäftigung hier nicht Streitgegenstand. Die vom Beklagten beabsichtigte zwangsweise Kürzung der Besoldung der Klägerin hätte schließlich ohnehin nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung erfolgen können, die insoweit allenfalls im Disziplinarrecht gefunden werden könnte. Dass die Verweigerung der Beantragung von Teilzeitbesoldung nach Ende der Elternzeit während der Sommerferien aber disziplinarrechtlich relevant sein könnte, ist völlig fernliegend und wird auch vom Regierungspräsidium nicht geltend gemacht.
2. Damit ist zugleich deutlich, dass die vom Beklagten behauptete Divergenz zur Senatsentscheidung vom 27.07.2017 - 4 S 1764/16 - (Juris) nicht vorliegen kann. Nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist die Berufung wegen Divergenz nur zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des übergeordneten Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung ist gegeben, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem in der Rechtsprechung eines der genannten Gerichte aufgestellten Rechtssatz mit einem widersprechenden Rechtssatz abgerückt ist und die angegriffene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Zur Darlegung der Rechtssatzdivergenz ist es erforderlich, dass ein die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz aufgezeigt wird, der zu einem ebensolchen Rechtssatz in der Entscheidung des höheren Gerichts in Widerspruch steht. Entsprechendes gilt für eine Divergenz in Bezug auf Tatsachenfragen, d.h. verallgemeinerungsfähige Tatsachenfeststellungen und -bewertungen. Erforderlich ist ferner, dass die Divergenz dargelegt, d.h. ausdrücklich oder sinngemäß behauptet und unter Durchdringung des Prozessstoffs erläutert bzw. erklärt wird. Die Unvereinbarkeit der im angefochtenen Urteil und in der Entscheidung des höheren Gerichts dargelegten Rechtssätze muss aufgezeigt werden, d.h. es muss ausgeführt werden, worin nach Auffassung des Antragstellers die Abweichung liegen soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328).
Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen im Zulassungsantrag nicht, denn die jeweils zugrundeliegenden Sachverhalte sind schon nicht hinreichend vergleichbar. Anders als im vorliegenden Fall der Klägerin hatte der Senat in seiner Entscheidung vom 27.07.2017 einen Fall zu beurteilen, in dem gerade ein Teilzeitantrag gestellt und diesem vom Beklagten nicht nachgekommen war. Die Entscheidung verhält sich deshalb auch primär zur Frage, ob der dortige Teilzeitantrag aus "zwingenden dienstlichen Gründen" abgelehnt werden durfte. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend weiter ausgeführt, worauf verwiesen wird.
Aber auch hinsichtlich der "vom Sachverhalt unabhängigen Wertungen" liegt keine Divergenz vor. Vielmehr ging der Senat dort davon aus, dass die Beschäftigung und Besoldung der Lehrkräfte während der Sommerferien nicht als "bezahlte Untätigkeit" abzuwerten ist. Dies sieht der Senat auch im vorliegenden Fall nicht anders, weil gerade die Klägerin nach Ende ihrer Elternzeit erheblichen Aufwand zur Vorbereitung des neuen Schuljahres während der Sommerferien leisten musste, was sie schlüssig dargelegt hat. Auch während der Sommerferien fällt Lehrerarbeit an, wie der Senat in seiner Entscheidung vom 27.07.2017 weiter ausführte (vgl. Juris Rn. 23 ff.), die der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit selbstredend "normal" besolden darf.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG und folgt der Auskunft des Landesamts für Besoldung und Versorgung zur Besoldungsdifferenz im streitbefangenen Zeitraum sowie der Festsetzung des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 18.08.2020, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).